Agilität ist kein Selbstzweck, sondern durch agile Methoden sollen Unternehmen produktiver und effizienter werden. Um Agilität zu etablieren und messbare Erfolge zu erzielen, ist ein Steuerungssystem notwendig. Besonders gut eignet sich hier die OKR-Methode, bei der „Objectives“ (Ziele) und „Key Results“ (zentrale Zwischenergebnisse, die auf das Ziel einzahlen) definiert werden. Im vierten und letzten Teil der Reihe „Agilität im Mittelstand“ stellt Bernd Ettelbrück die Steuerung agiler Projekte durch die OKR-Methode vor.
Hinweis der TCI-Redaktion: Lesen Sie auch die vorherigen Teile der Reihe „Agilität im Mittelstand“ von Bernd Ettelbrück:
- Teil 1: Agile Methoden im Mittelstand – Grundlagen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen
- Teil 2: Best Practice und aus Fehlern lernen: Agilität in der Praxis umsetzen
- Teil 3: Trigger für agile Arbeitsweisen: Warum Unternehmen agil werden
Erfolgsmessung durch KPIs
Agilität ist kein Selbstzweck, sondern dient einem Ziel. Bei der Erreichung dieses Ziels helfen KPIs. Bereits hier zeigt sich ein wichtiger Unterschied zum klassischen Management, wo KPIs von außen angelegt werden, um eine Teamperformance zu messen. Ein agil arbeitendes Unternehmen sollte hingegen Gesamt-KPIs wählen, aus denen sich einzelne agile Teams eigene KPI ableiten, um besser zu arbeiten und dem eigenen Arbeiten Orientierung zu geben.
Konkret wird der Unternehmens-RoI aus einem System der Team-RoIs gebildet. Dort wird autonom entschieden, wie die vorhandenen Entwickler-Ressourcen eingesetzt werden, um den bestmöglichen Team-Output, z.B. ein Produkt, zu erzeugen.
Die beiden Beispielunternehmen Moovel und Zalando (siehe Teil 3) haben ihr Steuerungssystem an die Agilität angepasst. Die Takkt Gruppe hält an ihrem Steuerungssystem fest und ergänzt es durch einige agile Kennzahlen. In deren Bericht der Hauptversammlung aus dem Jahr 2018 heißt es: „Der Kern des Geschäftsmodells der TAKKT-Gesellschaften ist trotz unterschiedlicher Ausrichtung hinsichtlich Regionen, Sortimenten, Kundengruppen und Vertriebsansätzen vergleichbar. Daher gibt es keine gesonderten Steuerungsgrößen für die Geschäftsbereiche. Stattdessen steuert das Management den Konzern, die Geschäftsbereiche, die einzelnen Sparten sowie alle Tochtergesellschaften nach den gleichen Kennzahlen.“
OKR als Steuerungssystem: Objectives und Key Results definieren
Dieser Artikel gibt Hinweise, wie ein agiles Steuerungssystem aussehen kann. Ein solches Steuerungssystem ist OKR – Objectives and Key Results. Die Ziele (Objectives) sollen motivierend und herausfordernd sein. Die Erfolgstreiber (Key Results) beschreiben eine messbare Größe, die mit der Zielerreichung ursächlich zusammenhängt. Die Erreichung des Ziels wird mit den Key Results gemessen und bewertet. Die Key Results können auch als Größe für die Bewertung der Leistung von Mitarbeitern herangezogen werden.
Um Objectives bzw. Ziele zu formulieren, wird ein wünschenswerter Zustand in der Zukunft beschrieben.
Ein Key Result bzw. eine wichtige Ergebnisgröße ist eine Erfolgsparameter für die Zielerreichung. Das heißt zweierlei:
- Key Results tragen zur Zielerreichung ursächlich bei.
- Key Results sind messbar.
Ein Unternehmen sollte idealerweise vier bis maximal fünf Ziele formulieren und zu jedem Ziel maximal vier Key Results bzw. Steuerungsgrößen. Denn zu viele Ziele auf einmal werden oft aus dem Blick verloren. Bei fünf klar formulierten Zukunftszuständen ist zudem die Gefahr, konfliktäre Ziele zu formulieren, gering. Ein Beispiel hierfür sind die gerne gewählten Ziele von Umsatzsteigerung bei gleichzeitigem Fokussieren auf weniger Kunden bzw. Erhöhen der Rendite.
Key Results tragen zur Zielerreichung bei
Das Erreichen der Steuerungsgrößen sollte zur Zielerfüllung beitragen. Die Fragen der Validität und Reliabilität von Zielen und deren Messgrößen ist daher entscheidend. Die Ziele sollten so herausfordernd sein, dass hundertprozentige Zielerreichung hervorragend ist und sich eine Gauß-Verteilung über die Zielerreichung bei 75 bis 90 Prozent einpendelt. Wenn die Auszahlung von Boni an den Zielerreichungsgrad gekoppelt ist, muss man prüfen, welche Gehaltskürzung man gegenüber den Mitarbeitenden vertreten kann. Werden hingegen regelmäßig 120 Prozent erreicht, dann ist das Ziel nicht ambitioniert genug formuliert.
Umgang mit verfehlten Ziele
Verfehlte Ziele werden nicht weiterverfolgt, sondern neue formuliert. Wie realistisch und wie entscheidend ist ein Ziel, dass ein Team nach intensiver Arbeit aller nach drei Monaten nicht erreicht hat? Sollte ich darin noch weiter investieren, oder mich lieber auf eine neue Sache konzentrieren? Auch das ist ein wichtiger Unterschied zur Vorgehensweise traditionell arbeitenden Unternehmen: dort wird fast immer automatisch die Timeline verlängert und oft gibt es „zur Strafe“ für das Nichterreichen noch zusätzliches Budget, weil ein Projektteam Mittel benötigt, um das verfehlte Ziel nachzuliefern. Oft wird dann mit dem Geld auch noch etwas anderes finanziert. Insofern lohnt es sich manchmal, Ziele nicht zu erreichen.
Wie müssen Ziele formuliert werden?
Um zu zeigen, wie man Ziele NICHT formulieren sollte, hier einige Beispiele für ungeeignete Ziele:
- Verbesserung der Kundenzufriedenheit
- Förderung der Teamarbeit
- Rücklaufquote für eine Kundenzufriedenheitsumfrage um fünf Prozentpunkte erhöhen
- Täglich 20 Anrufe durchführen oder 5 neue Adressen pro Woche ins CRM eingeben.
- Verdopplung des Umsatzes in fünf Jahren und Verbesserung der Rendite auf 11%
- Rohertrag um 5 % erhöhen
Diese Ziele beschreiben keinen in der Zukunft zu erreichenden Zustand, sondern stellen allgemeine Wünsche dar. Hoher Umsatz und fleißige Vertriebsbeauftragte sind immer irgendwie gut. Sie bringen das Unternehmen aber nicht voran, weil Sie die Mitarbeitenden nicht auf die Zukunft fokussieren und klare inhaltliche Aussagen über die erwarteten Ergebnisse für das kommende Quartal fehlen.
Ziele (Objectives) beziehen sich immer auf konkrete Zustände am Ende eines Quartals, so dass ein KPI gesteigert werden kann.
Ziele richtig formulieren: Kriterien
In der Literatur wird viel darüber diskutiert, wie Objectives formuliert werden müssen, welche Qualitätsdimensionen anzulegen sind, und welche Erfolgsdimensionen abgedeckt werden. In diesem Beitrag fokussieren wir uns auf diese beiden Kriterien:
- Das Ziel stellt eine objektivierte Zustandsbeschreibung in der Zukunft dar.
- Key Results (Ergebnisse) stehen in einem ursächlichen Zusammenhang zum Ziel.
Es geht also nicht darum, ob eine Zielerreichung das Unternehmen erfolgreicher macht oder nicht. Über eine veränderte Teamstruktur oder über die Wirkung von Kostensenkungen kann man trefflich diskutieren. Es geht nur darum, ob ich gesunkene Kosten auch tatsächlich feststellen kann.
Key Results als Erfolgstreiber
Alle Key Results sollten zum Ergebnis beitragen. Das sind die Erfolgstreiber, die ein Team umsetzen sollte. Viele Telefonate pro Tag oder neue Adressen in das CRM-System einzugeben führt noch nicht zu neuen Aufträgen. Solche „Treiber“ sind zwar messbar, aber sie sind nicht ursächlich für einen angestrebten höheren Umsatzwert. Eine gute Hilfe kann die Formulierung „gemessen durch…“ sein. Wenn sich ein Ziel durch ein Key Result einvernehmlich messen lässt, ist es ein zweckmäßiges Key Result. Wenn darüber Einigkeit herrscht, ist das Team in der Umsetzung völlig frei. Das Was ist klar, das Wie liegt im Ermessen des einzelnen Mitarbeitenden bzw. Team. Die Autarkie eines Teams ist möglich, weil vorab in der Vereinbarung Einigkeit über das Ziel und die Steuerungsgrößen erzielt wurde.
Tasks: Einem Key Result zugeordnete Aufgaben
Die Anzahl der Anrufe pro Tag sind Aufgaben (Tasks). Sie tragen bestenfalls zu einem Key Result bei, sind aber keine Erfolgstreiber. Ebenso ist ein Maßnahmenplan ein Plan und eben keine Erfolgsgröße. Der Verzehr von Speisekarten macht nicht satt!
Gleiches gilt für das Ziel der Umsatzerhöhung: Dieses Ziel erfüllt die erste Anforderung des Fokussierens nicht und kann inhaltlich nicht klar beschrieben werden. Umsätze können durch Finanzbeteiligungen erzielt werden oder durch höhere Absatzzahlen. Einen inhaltlichen Bezug zur Leistung des Einzelnen im Team lässt sich nicht direkt herleiten.
Das kann die Steuerung durch OKR („Objectives and Key Results”)
OKR ist eine Management Methode für die Steuerung der Agilität in Unternehmen. Sie hilft u.a.
- Quartale eines Geschäftsjahres zu planen
- Ressourcen angemessen zu allokieren
- Mitarbeitende transparent zu informieren
- Mitarbeitende in die Erreichung der Ziele des Unternehmens einzubinden
- Langfristige Ziele mit der kurzfristigen Arbeitsplanung zu verknüpfen.
Die Mitarbeiter profitieren von OKR, indem Quartal für Quartal Zielfindungsmeetings stattfinden, in denen dann Entscheidungen über den Einsatz von Ressourcen getroffen werden. Danach geht es um die Umsetzung – und zwar, ohne zu zögern. Operative Exzellenz führt zu einer verbesserten Verbindung der Ziele einzelner Teams und Mitarbeiter, einer Steigerung der Verbindlichkeit eines Zielsystems sowie einer deutlich höheren Messbarkeit der Fortschritte.
Fazit: Höhere Effizienz und transparentere Erfolgsmessung durch OKR
Mit dem richtigen Steuerungssystem fokussiert das Unternehmen auf das Erreichen von Ergebnissen und nicht mehr auf Maßnahmenpläne und Aufgaben für die Mitarbeitenden. Kurz gesagt: Man spricht nicht mehr über den Input, sondern über den Output und damit den Outcome. Erfolgreiche agile Steuerung funktioniert also vor allem über die Zieldefinition – wie diese erreicht werden sollen, bleibt offen. Durch die Freiheit bleibt den Teams selbst die Wahl des geeigneten Weges – gleichzeitig steigt durch die klare Zielvorgabe die Effizienz und die Erfolgsmessung wird transparenter.
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