Woran erkennt man Hochleistungs-Organisationen?

Rüdiger Schönbohm

Rüdiger Schönbohm

28. März 2024

(Hoch-)Leistungsfähige Organisationen erkennt man daran, dass sie Produkte und Dienstleistungen bei hoher Qualität zu attraktiven Preisen am Markt anbieten und damit echten Mehrwert für ihre Kunden darstellen. Sind sie dann auch noch innovativ, vielleicht sogar marktprägend, behandeln ihre Mitarbeitenden gut, agieren umweltbewusst, gesellschaftlich verantwortlich, nachhaltig, etc. und wachsen dabei profitabel, dann sind wir schon nahe dran am Hochleistungs-Unternehmen. Allerdings: das ist nicht wirklich neu.

Interessanter ist die Frage, wie solche Unternehmen das erreichen. Natürlich hängt das stark davon ab, in welchem Industriezweig und Marktumfeld die Firma operiert. Allerdings haben sich seit Beginn der Digitalisierung vor rund 30 Jahren viele Rahmenbedingungen grund­legend geändert und zwar branchen- und sektorübergreifend. Nicht nur, dass Digitale Champions mit ihren innovativen, teils disruptiven Geschäftsmodellen vielen etablierten Unter­nehmen unterdessen das Wasser abgraben. Die technologische Entwicklung hat auch die Machtposition der Endkunden und die Markttransparenz erheblich verstärkt sowie eine Verlagerung der Wertschöpfung von Produkten hin zu Dienstleistungen, von Hardware zu Software verursacht. Und der nächste Technologiesprung durch KI ist bereits in vollem Gange. Das Innovationstempo nimmt exponentiell zu, Vorhersagbarkeit und Planbarkeit von Entwicklungen dagegen immer weiter ab.

Da verwundert es schon etwas, wenn noch immer viele Unternehmen so arbeiten, als hätte sich seit dem Industriezeitalter nur wenig verändert: Belegschaften sind organisiert in kleinzelligen, oft starren Strukturen, Entscheidungsprozesse sind vielfach zäh und langsam, die linke Hand weiß wenig davon, was die rechte tut. Mitarbeitende führen aus, was Führungskräfte entscheiden, Bereichs- und Eigeninteressen dominieren, und der Kunde spielt höchstens im Vertrieb und Service eine herausragende Rolle.

Sind Fachkräfte rar und der Arbeitsmarkt gut, gehen irgendwann die ersten Leistungs­träger, sei es aus Unzufriedenheit oder einfach nur, weil andere Firmen attraktiver sind. Kommen weitere Faktoren wie neue Wettbewerber, Technologien oder Versorgungs­probleme hinzu, finden sich Unter­nehmen schnell an der Belastungs­grenze. Sie werden langsam, mit der Kunden­zufriedenheit sinkt die Produkt- und Servicequalität, die Abwärtsspirale beginnt sich zu drehen.

Heute zählen mehr denn je Geschwindigkeit, Innovation und Anpassungsfähigkeit sowie die Bereitschaft, Veränderungen frühzeitig und vor allem nachhaltig anzugehen. Es gibt dabei nur fünf Felder, auf die das Management direkt Einfluss nehmen kann:

  1. Vision und Strategie
  2. Prozesse und Governance
  3. Organisation und Struktur
  4. Menschen und ihre Rollen
  5. Technologie und IT

Diese fünf „Enabler“ haben erheblich Wechselwirkungen und zudem eine hierarchische Rangfolge, von oben (1.) nach unten (5.). Zwei kleine Beispiele machen das deutlich:

  1. Bei Problemen wird gerne schnell umorganisiert (3.) in der Hoffnung auf schnelle Lösungen. Natürlich kann das funktionieren, wenn man dabei auf die Menschen und ihre Rollen (4.) achtet und sowohl Arbeitsprozesse (2.) als auch IT (5.) zur neuen Zielorganisation passen. Ansonsten wird das eigentliche Problem meist nur verlagert. Es klemmt dann an anderer Stelle.
  2. In vielen Unternehmen gibt es eine über Jahre gewachsene IT, oft bestehend aus Insellösungen, die mit entsprechenden Tools irgendwie verknüpft sind. Da gibt es dann Workarounds, Medienbrüche, manuelle Schritte, und vieles mehr, um das Ganze am Laufen zu halten, denn Menschen wissen sich ja gewöhnlich zu helfen. Stehen dann größere IT-Veränderungen an, wie neue Releases oder Cloud-Verlagerungen, merkt man schnell, dass weder die eigenen Prozesse (2.) noch deren Abbildung in der IT (5.) ideal sind und die Sache wird schwierig…

Hochleistungsorganisationen gehen anders vor: sie fangen an beim Markt, den Kunden und der eigenen Strategie (1.), optimieren daraus top-down ihre Prozess-Landschaft (2.) und passen erst dann die Aufbauorganisation (3.) an. Steht die neue Struktur und ist klar, wie sie zusammenspielt, dann wird es relativ einfach, daraus Anforderungen an Rollen und Verantwortlichkeiten (4.) abzuleiten, sowie die richtigen Schwerpunkte im Bereich der Technologie und IT (5.) zu setzen.

Alle Hochleistungsorganisationen haben eine klare Vision und eine hohe Kundenzentrierung, denn schließlich kommt ja das Geld von dort. Sie wissen sehr genau, was notwendig ist, um eine hohe Kundenzufriedenheit und damit geschäftlichen Erfolg zu erreichen. Manche Unter­nehmen erzeugen durch Innovationen sogar neue Kundenwünsche und prägen damit ganze Märkte. Die Beispiele kennt jeder von uns.

Dazu müssen die fünf Enabler so gestaltet sein, dass hohe Innovationskraft, Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit möglich werden. Neben einer klaren und gut kommunizierten Strategie (1.) sind dies vor allem schlanke und agile Prozesse (2.), eine flexible, oft flache Aufbauorganisation (3.), sowie klare Rollen mit Ende-zu-Ende Verantwortlichkeiten (4.) und eine IT (5.), die all das optimal stützt.

Von zentraler Bedeutung sind hierbei die Aufbauorganisation (3.) sowie die zugehörigen wertschöpfenden Prozesse (2.), die zweierlei leisten müssen:

Einerseits kundenzentriert, schnell und effektiv (agil) Ergebnisse liefern (z.B. in Entwicklung, Vertrieb, Marketing), andererseits  hocheffizient und prozess­orientiert stan­dard­isierte Abläufe sicherstellen (z.B. in Produktion, Logistik und Finance).

Die zentrale Herausforderung ist dabei, einen gemeinsamen Rahmen zu finden, der sowohl den agilen, kundenzentrierten als auch den prozess- und effizienzfokussierten Einheiten gerecht wird. Solch „hybride“ Organisationen bestehen meist aus 4 Bausteinen:

  1. Funktionale Einheiten: sie gewährleisten funktionale und operative Exzellenz sowie Schutz und Weiter­entwicklung der wichtigsten Fähigkeiten und Kompetenzen des Unternehmens > klassische, funktionale Linienorganisation (z.B. Systementwicklung)
  2. Lean-agile Einheiten: arbeiten nah an Kunden und Markt. Sie führen das operative Geschäft, insbesondere in hoch-dynamischen Märkten > interdisziplinäre Teams (z.B. Vertrieb, Marketing, Applikation, Service)
  3. Shared Services: sie sind die Schnittstelle zwischen lean-agilen (b.) und funktionalen (a.) Einheiten > interne oder ausgelagerte Dienstleister (z.B. Einkauf, Produktion)
  4. Spine: sichert Gesamtstrategie, Führung und Synergien im Unternehmen 
    > Einheiten mit hoheitlicher Funktion (z.B. Strategie, Controlling)

Viele Unternehmen tun sich durchaus schwer mit diesem Wandel. Nicht zuletzt deshalb, weil Führung und Zusammenarbeit sich dabei grundlegend ändern. Weiche Faktoren wie Vertrauen, Loslassen, Transparenz, Commitment, Verantwortlichkeit und Konsequenz werden plötzlich erfolgs­kritisch, der Faktor Mensch gewinnt entscheidend an Bedeutung.

Auch wenn derartige Transformationen anspruchsvoll sind und einen langen Atem brauchen, weisen Unternehmen, die konsequent und nachhaltig diesen Weg gehen, beeindruckende Erfolge auf. Wichtig dabei: der Wandel wird zum stetigen Prozess. Eine länger andauernde Stabilisierung in einem angestrebten Zielzustand – so wie früher – wird es zukünftig kaum noch geben. Dafür passiert einfach in Wirtschaft und Gesellschaft zu viel in zu kurzer Zeit.

Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, kontaktieren Sie uns einfach.

Über den Autor

Rüdiger Schönbohm ist Partner der TCI und Experte für (agile) Organisationsentwicklung. Seine Arbeit fokussiert sich auf Fragen der strategiegeleiteten Weiterentwicklung von Organisationen, meist im lean-agilen Kontext. Er verfügt über 20+ Jahre Führungserfahrung in globalen Unternehmen der Automotive- und Consumer-Industrie und arbeitet seit vielen Jahren als Management-Berater, Projektmanager und agiler Coach.

Quelle Coverbild: © Summit Art Creations | Adobe Stock

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