Ein Erfolgsfaktor der Digitalen Transformation, der eklatant vernachlässigt wird

Martin Kupiek

Martin Kupiek

9. Oktober 2020

Emotionen äußern im Team: Gerade bei Gefühlen, die wir als negativ wahrnehmen, hat das Seltenheitswert. Noch seltener ist, dass Führungskräfte und letztendlich alle Unternehmensangehörigen richtig damit umgehen. Umso schwieriger ist diese Grundsituation im Rahmen von Change-Projekten, bei denen es um die Zukunft der Unternehmen geht – denn dieser Aspekt wird nach wie vor in den häufigsten Fällen eklatant vernachlässigt. Im folgenden Interview mit der TCI-Redaktion beleuchtet diese Zusammenhänge Dr. Martin Kupiek, TCI Partner und Beitragsautor im neuen Sammelband „Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern“, vor Kurzem herausgegeben von Peter Steinhoff und Mario Pfannstiel. Dabei stellt sich heraus, dass die Herausforderungen in den Unternehmen meist tiefer liegen und umfassender sind, als das Schlagwort „Emotionen“ vermuten lässt.

Vorab-Anmerkung der TCI-Redaktion: Dies ist Teil Eins des Interviews mit Dr. Martin Kupiek. Lesen Sie gern auch Teil Zwei: Gesunde Organisationskultur: Essenziell für Transformationen und Teams allgemein.

Digitale Transformation: Nicht alle entscheidenden Faktoren stehen an der Tagesordnung

Beate Greisel: Hallo Herr Dr. Kupiek, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. In Ihrem Beitrag im zweiten ETC-Band geht es um die Wechselbeziehungen zwischen Organisationskultur, Change Management und Emotionen in der digitalen Transformation. Wie ist Ihrer Erfahrung nach die Stimmung in den Unternehmen, wenn es um den richtigen Weg in die digitale Zukunft geht?

Dr. Martin Kupiek: Es dreht sich immer noch sehr viel um die Technik, also die Umsetzung von neuen Geschäftsmodellen und die notwendige Software. Der Entwicklungsprozess und die Teamleistungen werden zwar gut von agilen Frameworks wie SAFe® unterstützt, aber der Leistungsdruck ist schon enorm. Das schlägt sich natürlich immer wieder auf die Laune der Mitarbeitenden nieder und führt nicht selten zu Minderleistungen.

BG: Beim Schlagwort „Digitaler Wandel“ ist der technische Aspekt selbstverständlich essenziell – und nimmt in Diskussionen in der Tat sehr viel Raum ein. Wie sieht es mit Veränderungen in der Führungs- und Organisationskultur aus: Werden diese im Vorfeld ausreichend adressiert?

MK: Das größte Problem liegt in den Schnittstellen zu anderen Abteilungen. Das heißt, wenn ein Budget erstellt wird, ist es in der Regel üblich, mit der Finanzabteilung darüber zu reden. Die Mitarbeitenden dort arbeiten aber einer ganzen anderen Kultur oder es sind damit vollkommen unterschiedliche Arbeitsweisen verbunden. Das führt zu vielen Konflikten, die nicht selten eskalieren und die Stimmung in den Keller ziehen.

Es gibt klassische Auslöser für Missverständnisse zwischen Teams

BG: Welche grundlegenden Aspekte gilt es zu beachten, wenn Unternehmen auch ihre Organisationskultur entsprechend anpassen wollen?

MK: Man sollte immer die gesamte Organisation im Blick haben. Denn nur in der IT-Abteilung agil zu arbeiten führt zu Missverständnissen mit angrenzenden Organisationeinheiten. Wenn das nicht beachtet wird, bilden sich unterschiedliche Sub-Kulturen heraus, die dann nicht mehr zueinander finden. Der Aufwand für die Abstimmung wird immer größer und aus genau diesen Gründen haben sich einige Unternehmen entschlossen, Projekte abzubrechen, da der Nutzen nicht mehr ersichtlich war.

BG: Im Hinblick auf einen Wandel in einem Unternehmen, digital und allgemein, können Emotionen sowohl positiv als auch negativ sein. Drücken denn Mitarbeitende ihre Emotionen auch aus – in beide Richtungen?

MK: Eigentlich gibt es ja gar keine positiven oder negativen Emotionen. Es sind nur körperliche Wahrnehmungen, die mit mentalen Modellen oder kognitiven Konstrukten versehen werden. Diese fühlen sich dann angenehm oder unangenehm an und werden als positiv oder negativ bezeichnet. Generell werden Emotionen als Privatsache deklariert und im besten Fall nur im angenehmen Fall – wie Freude über ein erreichtes Ziel – zum Ausdruck gebracht. Angst zum Beispiel wird dagegen so gut wie nie öffentlich geäußert. Vielen Organisationen fehlt aber auch das Wissen und die Instrumente, wie man Emotionen sozialverträglich in Gruppen äußern kann. Dasselbe gilt für entsprechende Strategien für den Umgang damit. Hier besteht großer Nachholbedarf, um die emotionale Lage in Teams zu verbessern.

Den Unternehmen mangelt es an Wissen, Strategien und Instrumenten

BG: Wie gehen Führungskräfte denn typischerweise damit um?

MK: Sehr unterschiedlich. Da gibt es viele unterschiedliche Umgangsformen – von absolutem Totschweigen von Emotionen bis zu stundenlangen „Coaching“-Einzelgesprächen. Das hängt immer sehr davon ab, ob und wie die Führungskraft gelernt hat, mit ihren eigenen Gefühlen umzugehen und wie sicher sie sich dabei fühlt, mit anderen darüber zu reden. Was definitiv fehlt, ist aber die Kenntnis der Instrumente, wie man als Führungskraft mit Emotion im Team öffentlich umgeht. Wie man sozusagen eine Emotionslandschaft des Teams oder der Abteilung ermittelt, darstellt und darüber spricht.

BG: Lieber Herr Dr. Kupiek, ich danke Ihnen sehr für diese hochinteressanten Einblicke! Wir setzen das Gespräch in einem zweiten Beitragsteil fort.

Das Interview mit Dr. Martin Kupiek führte Beate Greisel für die TCI-Redaktion.

Lesen Sie auch Teil Zwei des Interviews: Gesunde Organisationskultur: Essenziell für Transformationen und Teams allgemein!

„Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern“ – erschienen August 2020

Die Transformation Consulting International begleitet seit vielen Jahren national und international Transformationsprojekte in Unternehmen. Basierend auf diesem umfangreichen Erfahrungsschatz zur praktischen Umsetzung ist nach dem ersten Band „Der Enterprise Transformation Cycle“ der zweite Band mit dem Titel „Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern: Projekte erfolgreich planen, durchführen und abschließen“ im renommierten Springer-Verlag erschienen. Als Weiterführung zum ersten Band berücksichtigt dieser weitere Wünsche und Anregungen von Lesenden und legt konkrete Transformationsprojekte und Handlungssituationen von Expert*innen der TCI in ihrer täglichen Anwendung des ETC dar. Auch dieser Band Zwei wurde herausgegeben von Mario A. Pfannstiel und Peter F.-J. Steinhoff und umfasst gut 500 Seiten. Darin finden Sie zahlreiche theoretisch-konzeptionelle Beiträgen sowie Fallbeispiele aus der Praxis zum „Enterprise Transformation Cycle“.

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(Coverbild: © deagreez | Adobe Stock)

Über den Autor

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Dr. Martin Kupiek ist selbstständiger Unternehmensberater und Dozent. Mit mehr als 25 Jahren Berater- und Managererfahrung unterstützt er mittelständische und große Unternehmen sowie internationale Konzerne unter anderem im Organizational Change Management.

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