User-centered Design: Moderne Methode zur Produktentwicklung

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Patrick Müller

6. Oktober 2017

Wann ist ein Produkt erfolgreich? Hätte man diese Frage vor 10-15 Jahren gestellt, wäre die Antwort wohl gewesen: Wenn es sich gut verkauft. Stellt man diese Frage heute, heißt es wohl eher: Wenn es von möglichst vielen Nutzern so häufig wie möglich genutzt wird. Denn daraus leitet sich in aller Regel auch der wirtschaftliche Erfolg ab. Dementsprechend muss also der Anwender in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken – und das ist genau das Ziel des User-centered Design. In diesem Beitrag erfahren Sie unter anderem, worum es sich bei diesem Ansatz handelt und welche Rolle die Anwender sowie deren Anforderungen darin spielen. Zudem werden die verschiedenen Phasen dieser unschlagbaren Methode betrachtet und die grundlegenden Prinzipien analysiert, die das User-centered Design bei konsequenter Durchführung zum Erfolgsgaranten machen.

User-centered Design: Der Mensch gehört in den Mittelpunkt

Nachdem die Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens Einzug hält, entscheidet heute die Gestaltung von Produkten und Services einerseits über den Markterfolg, andererseits über den Nutzungsgrad intern in Unternehmen bereitgestellter Werkzeuge und Lösungen: Eine Alternative ist meist nur „einen Klick entfernt“.

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Der Mensch im Zentrum: Grundlage beim User-centered Design sind die Wünsche und Anforderungen der tatsächlichen Anwender. (Bild: © Maridav | fotolia.com)

User-centered Design (UCD), auf Deutsch „nutzerorientierte Gestaltung“, zielt darauf ab, Produkte so zu gestalten, dass sie über eine hohe Gebrauchstauglichkeit (Usability) verfügen. Dazu wird der zukünftige Anwender eines Produktes in den Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses gestellt und an diesem beteiligt.

Die Anforderungen der Anwender gestalten die Entwicklung

Das User-centered Design gehört wie das Design Thinking zu den benutzerzentrierten Methoden. Diese beiden Herangehensweisen haben Überschneidungen, widersprechen sich jedoch nicht. Im Gegenteil: Sie ergänzen sich hervorragend eben genau dadurch, dass die Schwerpunkte sich jeweils etwas unterscheiden. Während das Design Thinking (DT) die Ideen- und Visionsentwicklung in den Mittelpunkt stellt, beschreibt das User-centered Design den Prozess der Gestaltung von Lösungen auf Basis verschiedener Methoden der Anforderungsermittlung.

User-centered Design eignet sich sowohl für die Entwicklung von Software als auch anderer Produkte, bei denen eine Interaktion mit dem Anwender vorliegt.

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Eine bewährte Strategie ist das Erstellen einer konkreten Persona: Auf diese Weise erhält das User-centered Design eine nochmals konkretere Qualität. (Bild: © Patrick Müller)

Die Methode gibt es schon seit den 90er Jahren. Im Rahmen der DIN EN ISO 9241-210, die sich dem Gestaltungsprozess von gebrauchstauglichen System zur Interaktion widmet  (ISO, 2010), liegt sogar ein auf ihr basierendes Prozessmodell vor.

Es gilt, mehrere Phasen zu durchlaufen:

User-centered Design, Planung, Analyse des Nutzungskontextes, Aufnahme der Anforderungen, Konzeption und Entwurf, Evaluation, Interdisziplinäre Beratung
Schematische Darstellung der Phasen beim User-centered Design. (Bild: © Patrick Müller)
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Jede einzelne der iterativen Phasen bis zur Umsetzung stellt beim User-centered Design den letztendlichen Anwender in das Zentrum der Aufmerksamkeit. (Quelle: Ergonomen)

Die Phasen des User-centered Design im Detail

1. Grundlegende Planung

In der Planungsphase wird zunächst eine Planung der Aktivitäten vorgenommen. Dazu ergeben sich zentrale Fragestellungen, anhand derer die Einzelheiten konkretisiert werden, wie etwa:

  • Wie sollen die einzelnen Phasen gestaltet werden?
  • Welche Zeit steht für jede Phase zur Verfügung?
  • Auf welche Ressourcen hat das Projektteam Zugriff?
  • Welche Nutzer werden wie in den Gestaltungsprozess mit einbezogen?
  • Wie erfolgt die Kommunikation mit diesen im Projekt?
  • Welche Methoden werden in den verschiedenen Phasen eingesetzt?

Je nach Ausgangslage und Komplexität des zu entwickelnden Produkts lässt sich dieser Fragenkatalog erweitern und individualisieren.

2. Nutzungskontext analysieren

Während der Analyse des Nutzungskontextes werden möglichst viele Informationen über die zukünftigen Nutzer gesammelt. Dazu gehören deren Arbeitsabläufe, deren Ziele und deren Aufgaben am zukünftigen Produkt. Zu den eingesetzten Methoden gehören beispielsweise Service Safaris (Methode bei der der Mitglieder des Projektteams die Abläufe und Arbeit der Anwender für einen Tag selbst erleben), Benutzer-Interviews, Interviews am Arbeitsplatz und Expertenbefragungen. In der Methode Point-of-view lassen sich die gewonnenen Einsichten verschiedener Teammitglieder in einem gemeinsamen Standpunkt zusammenführen.

3. Die Aufnahme der Anforderungen

In der Phase Aufnahme der Anforderungen werden basierend auf den Erkenntnissen der Kontextanalyse Anforderungen aufgenommen beziehungsweise definiert. Die Anforderungen basieren auf den Bedürfnissen der Anwender. Die Anforderungen gehen dabei über rein funktionale Anforderungen hinaus. Insofern können sie sich auch auf Methoden, Prozesse oder die Organisation beziehen. Eine häufig eingesetzte Form zur Anforderungsaufnahme sind sogenannte User Stories, welche sich in der Softwareentwicklung mit UML bereits etabliert haben:

Als <Rolle/Persona> will ich <Aktivität durchführen>, sodass ich <folgenden Nutzen erziele>.

Anhand eines konkreten Beispiels bedeutet dies:

Als jugendlicher Autofahrer, möchte ich am Lenkrad den Radio-Sender wechseln können, damit ich sofort wegschalten kann, sobald Musik läuft, die mir nicht gefällt.

Anhand der User Stories ist die Wechselwirkung zwischen dem Anwender im Kontext der Benutzung (zum Beispiel privat/beruflich, Rolle), der Aktivität und dem erwarteten Nutzen (also was will ich erreichen; als Abgrenzung zu: Wie und womit reagiert das System) plastisch beschrieben. Erst auf diese Weise eröffnet sich die Möglichkeit, attraktive, also nutzenstiftende Produkte zu imaginieren.

4. Konzipieren und Entwerfen

In der Phase Konzeption und Entwurf werden Konzepte für das zukünftige Produkt entwickelt. Dazu kann zunächst eine Alternativenbetrachtung erfolgen, bevor ein Konzept ausgewählt wird. Diese wird dann weiter ausgearbeitet, bis ein vollständiger Entwurf vorliegt. Neben Konzeptdokumenten sollten hier bereits Mockups beziehungsweise Prototypen entstehen. So kann ein Klick-Prototyp bei einer IT-Anwendung dem Anwender schon einen guten Eindruck vermitteln, wie das endgültige Produkt aussehen wird.

Iterationen sind das zentrale Prinzip des User-centered Design

Das User-centered Design ist eine Methode, die von Iterationen lebt. Auf die Phase Konzept und Entwurf, die wiederholt durchlaufen werden kann, werden in der Phase Evaluation die erstellten Konzepte und Entwürfe immer wieder mit den Anwendern besprochen. Mockups und Prototypen sollten hier ausprobiert werden. Damit wird sichergestellt, dass die Anforderungen der Nutzer auch tatsächlich erfüllt werden. Diese Iterationen helfen, sich der optimalen Lösung immer weiter anzunähern.

User-centered Design in der Anwendung

Das User-centered Design hilft bei klassischen Entwicklungsprojekten nach dem Wasserfall-Prinzip, die Anwendung nach den Anforderungen der Anwender zu entwickeln und damit Risiken zu minimieren. Immer mehr Entwicklungsprojekte werden aber mit agilen Vorgehensweisen wie Scrum durchgeführt. Daher kristallisiert sich vermehrt die Frage heraus: Wie kann das User-centered Design mit agilen Methoden zusammenspielen?

Zunächst einmal eignet sich das User-centered Design hervorragend als Methode, um einen Product Backlog zunächst initial und später fortlaufend zu befüllen. Dazu empfehlen sich Design-Sprints, die dem Entwicklungsprozess vorgelagert werden. Das Ergebnis solcher Sprints kann der erste Klick-Prototyp sein, bevor in den folgenden Sprints wirklich einsetzbare Software entwickelt wird. User Stories können direkt dazu dienen, das erwartete Verhalten der Software zu definieren und helfen bei der Planung der Lösung.

Auch bei lang andauernden und oft teuren (Hardware-)Produktentwicklungs-Projekten sollte der Fokus auf genauer Bedarfsanalyse liegen. Zudem müssen mehrere Prototypenphasen durchschritten werden, bevor der fertige Produktentwurf vorliegt.

Sowohl das User-centered Design als auch Scrum leben von Iterationen. Dies ermöglicht die Integration beider Methoden in einem Gesamtvorgehen.

Fazit: User-centered Design ist der moderne Weg der Entwicklung

Das User-centered Design ist eine moderne Methode um Produkte zu entwickeln, welche die Anforderungen der Benutzer erfüllen. Wir setzen sie selber ein und unterstützen Kunden, sie in ihren Projekten einzusetzen, wie zum Beispiel in einem Software-Entwicklungsprojekte bei einem Automobilhersteller. Zudem ergänzt sich diese Methode sehr gut mit Design Thinking und mit agilen Vorgehensweisen wie Scrum.

Der Beitrag wurde von Maik Schmalstich – Experte für Digitale Business Transformation & Design Thinking – und Patrick Müller – Managing Partner der TCI und Leiter das Fokus-Teams Projects & Processes für Engineering – erstellt. 

 

(Coverbild: © baranq | fotolia.com)

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