Emotionen am Arbeitsplatz haben nicht den besten Ruf. Tränen oder Geschrei sind fehl am Platz, wenn es professionell zugehen soll. Dennoch lässt es sich nicht leugnen: Menschen haben auch am Arbeitsplatz Emotionen und sie steuern zu einem großen Teil unser Handeln. Gerade in Zeiten der Veränderung ist es eine wichtige Aufgabe, die Gefühle der Mitarbeiter ernst zu nehmen und professionell mit ihnen umzugehen. Martin Kupiek, Autor des Beitrags „Agile Transformation: Der Weg in die Emotion Economy“ im Sammelband „Agilität in Unternehmen“ schildert im Interview, welchen Stellenwert Gefühle in Business-Transformationen haben und wie man mit ihnen umgehen sollte.
Hinweis der TCI-Redaktion: Hier geht es direkt zu Teil Zwei des Interviews mit Martin Kupiek – Gefühle in der Arbeitswelt: Ein Gewinn für alle Seiten – Interview mit Martin Kupiek
Emotionen sind individuell
Katja Heumader: Herr Kupiek, was meinen Sie: Haben sich die Menschen heute weniger im Griff als noch vor zehn Jahren? Sind wir infolge der Digitalisierung zu Kleinkindern geworden, die alles sofort und jederzeit zur Verfügung haben müssen?
Martin Kupiek: In bestimmten Bereichen ist das tatsächlich so. Wer heute im Internet etwas bestellt, will begeistert vom Angebot sein, es schnell haben und auch bequem wieder zurückschicken können. Diese Situation ist vergleichbar mit einem Kleinkind, das an der Kasse unbedingt noch eine Süßigkeit haben will und wenn der Wunsch nicht erfüllt wird, einen Wutanfall bekommt. Wertschätzung und Bedeutung von „Geduld haben“ wird immer weniger im Alltag berücksichtigt.
KH: Empfinden alle Menschen Emotionen gleich – sprich: Ist Wut gleich Wut und Freude gleich Freude, egal bei welcher Person?
MK: Wir sind alle Individuen und in unseren Familien, Schulen und in der Ausbildung verschieden sozialisiert worden. Damit sind Wahrnehmung und Erleben von Emotionen auch sehr unterschiedliche. Das bezieht sich auf die eigenen aber auch auf die Einschätzung von Gefühlen bei anderen.
Interessant wird es, wenn man sich das Bild rechts anschaut. Welche Gefühle glaubt man dort zu sehen? Es sind zahlreiche Interpretation möglich, zum Beispiel der Mann ist traurig, er sucht etwas auf dem Boden, der denkt nach, er hat Rückenschmerzen, und so weiter. Abhängig von der eigenen Erfahrungswelt und dem aktuellen Kontext, in dem sich der Betrachter befindet, fällt man sein Urteil.
Verantwortung und Selbstmanagement können Gefühle der Überforderung auslösen
KH: Warum rücken Emotionen nun in den Fokus des Managements? Was erhofft man sich davon?
MK: Die Digitalisierung bringt viele neue Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter mit. Es ist ja nicht so, dass durch weniger Hierarchie und mehr Teamarbeit Konflikte im Arbeitsprozess einfach verschwinden, sondern es entstehen neue. Agiles Arbeiten bedeutet eben auch mehr Verantwortung und Selbstmanagement. Mancher ist damit überfordert. Die Angst vorm Versagen steigt und somit kommt es zu Unsicherheit und Desorientierung. Auch wenn der Weg in der Veränderung unklar ist, kann das zu Verunsicherungen führen. Daher sollte jede Führungskraft Instrumente kennen, wie man mit Emotionen am Arbeitsplatz umgehen kann.
KH: Und andersherum gefragt: Warum erst jetzt? Wieso hat man so lange die Mär von der absoluten Rationalität verbreitet und Emotionen, vor allem im Business-Kontext, geleugnet?
MK: Geleugnet wäre mir zu hart, man Gefühle eher verdrängt oder ist ihnen ausgewichen. Emotionen mussten ausgehalten werden, zum Beispiel die berüchtigten Choleriker, die einen Schreianfall bekommen, bei dem Mitarbeiter in Deckung gegangen sind, wenn etwas nicht geklappt hat. Emotionen wurde mit Schwäche gleichgesetzt. Wer will als schwach gelten, wenn er Karriere machen will? Dies hat sich gewandelt. Heute gibt es mehr Möglichkeiten, offen und professionell mit Emotionen umzugehen.
KH: Können Organisationen emotional reagieren? Oder sind Emotionen Individuen vorbehalten?
MK: Emotionen werden auch geteilt – wer kennt nicht Aussagen wie „die Abteilung xy hat immer gute Laune“ oder der „Service ist wieder schlecht drauf“. Hier werden individuelle Emotionen von anderen geteilt, es freuen sich alle und das Zeigen von Freude wird als identitätsstiftend und akzeptierter Ausdruck von Verhalten in der Gruppe anerkannt.
Das Interview mit Dr. Martin Kupiek führte Dr. Katja Heumader für die TCI-Redaktion.
„Agilität in Unternehmen“: theoretisch fundiert und praxisnah
Im Fokus von „Agilität in Unternehmen“ steht die praktische Anwendung der Konzepte. Die Beiträger:innen des Sammelbandes decken dabei – neben der Einführung in die theoretischen Grundlagen – verschiedene Bereiche ab: Unternehmens- und Personalführung, Organisationsmanagement, Evaluation und Controlling, Entscheidungsverhalten, Rollen in Projekten sowie das Management von Geschäftsprozessen.
„Agilität in Unternehmen“ richtet sich an unternehmensinterne und -externe Praktiker:innen, für die Transformationsmanagement im Zentrum ihrer Aufgaben steht. Coaches, Business-Verantwortliche, Geschäftsführer:innen und andere Entscheidungsträger profitieren von den umfassenden Perspektiven des Sammelbandes ebenso wie Wissenschaftler:innen und Dozent:innen mit den Schwerpunktfächern Organisation, Agiles Management, Projektmanagement, Business Management, Change Management, Produktmanagement, Entwicklung, Prozessmanagement und Strategisches Management.
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