Gefühle im Business-Kontext rücken verstärkt ins Bewusstsein – insbesondere beim agilen Arbeiten. Damit Gefühle einen Platz in der Arbeitswelt bekommen, ist jedoch noch einiges zu tun. Martin Kupiek, Autor des Beitrags „Agile Transformation: Der Weg in die Emotion Economy“ im Sammelband „Agilität in Unternehmen“, erklärt im Interview, welche kulturellen Voraussetzungen geschaffen werden müssen und welche Tools sich dafür eignen, Gefühle offenzulegen und stärker zu berücksichtigen.
Hinweis der TCI-Redaktion: Hier geht es direkt zu Teil Eins des Interviews mit Martin Kupiek – „Offen und professionell mit Emotionen umgehen“ – Interview mit Martin Kupiek
Konflikte entstehen durch Gefühle
Katja Heumader: Was ist notwendig, damit Gefühle und ihre Wirkung bei Entscheidungen stärker ins Bewusstsein rücken?
Martin Kupiek: Anfangen, darüber zu reden – und zwar im Team! Unsicherheiten offenlegen, denn es gibt kein absolutes Richtig oder Falsch. Jede Entscheidung ist unsicher und man wird erst in der Zukunft erfahren, ob es eine gute oder schlechte Entscheidung war.
KH: Was hat agiles Management wie SAFe® mit Gefühlen und deren Anerkennung zu tun?
MK: Wenn heute die Kundenbeziehung in der Plattformökonomie aufgebaut und gestärkt werden soll, dann hilft es, ein gutes Verständnis über die emotionalen Grundlagen zu haben. Denn wer nicht weiß, welche Bedeutung Begeisterung, Ungeduld oder Bequemlichkeit haben, wird auch selten in der Lage sein, eine Beziehung zu einem Kunden aufzubauen, die genau diese Kriterien berücksichtigt. Neben der Beziehung zu den Kunden gibt es auch viele Kollegen, mit denen man in Teams und Abteilungen nach agilen Prinzipien, wie zum Beispiel SAFe®, zusammenarbeitet.
In Großunternehmen ist es üblich, in internationalen Gruppen zu arbeiten, dabei Englisch zu sprechen und intensive Diskussionen zu führen. Diese sind dann aber auch nicht konfliktfrei, sondern werden überlagert von anderen kulturellen Erfahrungen, in denen ein ganz anderes Verständnis, zum Beispiel von Ungeduld vorliegt. Damit muss man sich auch auseinandersetzen können. Neben den Kollegen gibt es auch angrenzende Abteilungen, die nicht agil arbeiten. Die Finanz-, Controlling-, Rechts- oder andere Verwaltungsabteilungen und Funktionen können ganz anders arbeiten als man selbst. Dadurch können die Verhandlung über das Budget für das nächste Geschäftsjahr lang, mühselig, konfliktbeladen und aggressiv werden. Auch das muss in Rechnung gestellt werden, wenn Agilität das neue Paradigma ist.
Wer Gefühle versteckt, verschwendet Ressourcen
KH: Welche Vorteile bietet ein agiles Vorgehen beim Umgang mit Emotionen – sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene?
MK: Man muss nicht so viel Energie darauf verschwenden, Gefühle zu unterdrücken oder gewünschte Emotionen zu produzieren. Das erleichtert das Arbeiten sehr und es ist möglich, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren statt auf das Management der individuellen Gefühlswelt. In Summe gewinnt damit jedes Team oder Gruppe enorm an Effizienz und Spaß beim Arbeiten.
KH: Wie lassen sich Gefühle positiv und konstruktiv nutzen? Welche Methoden eignen sich dafür?
MK: Indem jedes Teammitglied Gefühle äußern kann und keine Sanktionen zu befürchten hat. Erst das Offenlegen und das Spüren von Emotion entfaltet Wirkung. Geschichten zu erzählen, Fabeln, Comics oder Graphic Novels – all das eignet sich hervorragend, um über Gefühle zu kommunizieren und diese positiv zu nutzen.
Ein analytisch orientierter Ansatz nutzt eine einfache Vier-Felder Matrix, die angenehme und unangenehme Gefühle, die stark oder schwach aktivieren gegenüberstellt. Diese Matrix ist sehr effektiv, um den emotionale Zustand aller Individuen in einer Gruppe abzubilden. Die Ergebnisse sind sehr plakativ und zum Teil auch überraschend. Dies funktioniert sogar auf anonymer Basis und nur das Gesamtergebnis wird im Team diskutiert.
Das geht auch mit Tools, die diesen Prozess stützen und zum Beispiel die aktuelle emotionale Verfasstheit der Individuen in einem aggregierten Zustand visualisieren. Damit können Handlungen eingeleitet werden, die je nach Ergebnis entweder den aktuellen Zustand stützen oder Vorschläge für eine positive Veränderungen initiieren.
KH: Wie lässt sich die Anerkennung von Emotionalität in die Organisationskultur integrieren?
MK: Zuerst gilt es, sich bewusst zu machen, welche Kulturelemente in der Organisation vorherrschen. Dafür können Tools genutzt werden, wie ich sie eben beschrieben habe. In einem Workshop sollte man sich dann über die Ergebnisse austauschen und im Anschluss daran konkrete Vorschläge entwickeln.
KH: Lieber Herr Kupiek, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.
Das Interview mit Dr. Martin Kupiek führte Dr. Katja Heumader für die TCI-Redaktion.
„Agilität in Unternehmen“: theoretisch fundiert und praxisnah

Im Fokus von „Agilität in Unternehmen“ steht die praktische Anwendung der Konzepte. Die Beiträger:innen des Sammelbandes decken dabei – neben der Einführung in die theoretischen Grundlagen – verschiedene Bereiche ab: Unternehmens- und Personalführung, Organisationsmanagement, Evaluation und Controlling, Entscheidungsverhalten, Rollen in Projekten sowie das Management von Geschäftsprozessen.
„Agilität in Unternehmen“ richtet sich an unternehmensinterne und -externe Praktiker:innen, für die Transformationsmanagement im Zentrum ihrer Aufgaben steht. Coaches, Business-Verantwortliche, Geschäftsführer:innen und andere Entscheidungsträger profitieren von den umfassenden Perspektiven des Sammelbandes ebenso wie Wissenschaftler:innen und Dozent:innen mit den Schwerpunktfächern Organisation, Agiles Management, Projektmanagement, Business Management, Change Management, Produktmanagement, Entwicklung, Prozessmanagement und Strategisches Management.
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