In ambidextren Organisationen Kultur und Struktur gestalten

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18. Juni 2021

In ambidextren Organisationen treffen die Kulturen von „Exploration“ und „Exploitation“ aufeinander. Dem Management kommt die Aufgabe zu, einen Ausgleich zwischen den Interessen und kulturellen Vorstellungen zu schaffen sowie Strukturen entsprechend zu gestalten. Dann wird Ambidextrie zum Erfolgsfaktor in Unternehmen: Innovationsfähigkeit und die Ausschöpfung bestehender Potenziale sorgen für Zukunftsfähigkeit und Cashflow. Wie das gelingt, erklärt Dr. Martin Rost im TCI-Interview.

Anmerkung der TCI-Redaktion: Lesen Sie hier auch Teil 1 dieses Interviews mit Martin Rost: „Kompetenzentwicklung findet statt, wenn Menschen an ihre Grenzen stoßen“ – Interview mit Martin Rost

In ambidextren Organisation „Exploration“ und „Exploitation“ vereinen

„Exploration“, also Innovationsfähigkeit und „Exploitation“, also die Optimierung bestehender Strukturen und Prozesse, unterscheiden sich auch kulturell. Wie lassen sich diese unterschiedlichen Kulturen unter einem Dach vereinen?

Die Vereinigung der unterschiedlichen Kulturen unter einem Dach ist eine Herausforderung für das Top Management, aber sie ist möglich. Wichtig ist, einerseits einen gemeinsamen Bezugsrahmen an Werten zu schaffen, der für das gesamte Unternehmen gilt und durch Respekt und Verständnis für die kulturelle Vielfalt im Unternehmen geprägt ist. Andererseits benötigen die Bereiche auch den Freiraum, um eine Kultur zu entwickeln, die Exploitation oder Exploration fördert.

Was kommt zuerst auf dem Weg zur ambidextren Organisation: Die Entwicklung der (Mitarbeiter-)Kompetenzen oder der Auf- beziehungsweise Umbau der Strukturen?

Strukturen können in der Regel schneller verändert als Kompetenzen aufgebaut werden. Das Top Management und einige zentrale Führungskräfte aus dem mittleren Management sollten schon zu Beginn des Veränderungsprozesses starke Ausprägungen in jenen Kompetenzen haben, die für die Verwirklichung von Ambidextrie in dem Unternehmen notwendig sind. Wenn Sie „ambidextre“ Strukturen aufbauen, ohne „ambidextre“ Personen, dann wird die Verbindung zwischen Exploitation und Exploration im Unternehmen fehlen. Ein großer Teil der untersten Führungsebene und der Mitarbeitenden muss allerdings nicht „ambidexter“ sein. Sie sollten ein gutes Verständnis für die anderen Bereiche im Unternehmen entwickeln und zum Wissensaustausch beitragen, können und sollten sich aber auf die Aufgaben in ihren Bereich spezialisieren. Sowohl zu Exploitation als auch zu Exploration beizutragen, stellt eine große Herausforderung für Personen dar und verbraucht deshalb auch viel Zeit und Energie. Es ist deshalb für viele Personen in Organisationen sinnvoll, sich zu spezialisieren.

Aufgabe des Top Managements: Für Ausgleich sorgen

Welche Rolle kommt bei der Entwicklung einer ambidextren Organisation der Führungsebene zu?

Das Top Management Team übernimmt koordiniert die Zusammenarbeit zwischen Bereichen und Mitarbeitenden mit Fokus auf Exploration und Exploitation. Zudem entscheidet das Top Management Team, wie die Balance zwischen Exploitation und Exploration ausgestaltet werden soll.

Die Umsetzung und die konkrete Ausgestaltung von Ambidextrie erfolgen durch das mittlere und auch untere Management. Auch einzelne Mitarbeitende können in bestimmten Situationen die Balance zwischen Exploitation und Exploration in ihrem Bereich gestalten. Das Top Management Team muss dafür aber die Freiräume schaffen und über Visionen, Ziele und Anreizsysteme die Richtung vorgeben, wie diese Freiräume genutzt werden können.

Welche besonderen Führungskompetenzen sind in einem solchen Veränderungsprozess notwendig?

In Veränderungsprozessen müssen Führungskräfte die Organisationsmitglieder vor allem für die neuen Ziele und Aufgaben gewinnen, sie unterstützen dabei, Ängste abzubauen und Widerstände in der Organisation vermeiden. Dazu müssen sie die Mitarbeitenden motivieren, inspirieren, ihre Kreativität anregen, auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen und bei der Kompetenzentwicklung unterstützen und schließlich als Vorbild dienen. Bass und Avolio bezeichnen dieses Führungsverhalten als transformationalen Führungsstil; dieser ist besonders für Exploration wichtig.

In Bereichen mit Fokus auf Exploitation bilden hingegen Ziele mit Kontrolle der Leistung und Belohnung die zentrale Grundlage des Führungsverhaltens. Diese transaktionale Führung unterstützt die effiziente Durchführung der Prozesse grundsätzlich gut. Insbesondere in Veränderungssituationen sollten Mitarbeitende aber auch in diesen Bereichen durch transformationale Führung begleitet werden. Und Veränderungsprozesse finden im Rahmen der digitalen Transformation im Prinzip ständig statt. Zunehmend wird auch ein Teil der Aufgabe einer „klassischen“ Führungskraft durch Selbstorganisation im Team ersetzte. Zentrale Aufgabe von Führungskräften wird es aber bleiben, jeden Mitarbeitenden bei der Bewältigung von Herausforderungen und der eigenen Entwicklung zu unterstützen. Robert Greenleaf hat dies im Führungsstil „Servant Leadership“, das heißt der „dienenden“ Führung, zusammengefasst.

Welchen Beitrag kann der Enterprise Transformation Cycle (ETC) zu einem solchen Change-Prozess leisten?

Der ETC bildet mit seinen Dimensionen einen guten Bezugsrahmen, um zu verstehen, wie Strategie, Strukturen, das Wertschöpfungs-Prozessmodell, Rollen und Verantwortlichkeiten und das Personal zusammenspielen müssen, um eine ambidextre Organisation entstehen zu lassen. Dieses Zusammenspiel wird in meinem Beitrag gezeigt.

Das Interview mit Dr. Martin Rost führte Dr. Katja Heumader für die TCI-Redaktion.

„Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern“ – erschienen August 2020

Die Transformation Consulting International begleitet seit vielen Jahren national und international Transformationsprojekte in Unternehmen. Basierend auf diesem umfangreichen Erfahrungsschatz zur praktischen Umsetzung ist nach dem ersten Band „Der Enterprise Transformation Cycle“ der zweite Band mit dem Titel „Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern: Projekte erfolgreich planen, durchführen und abschließen“ im renommierten Springer-Verlag erschienen. Als Weiterführung zum ersten Band berücksichtigt dieser Wünsche und Anregungen von Lesenden und legt konkrete Transformationsprojekte und Handlungssituationen von Expert*innen der TCI in ihrer täglichen Anwendung des ETC dar. Herausgeber des über 500-seitigen Bandes sind Mario A. Pfannstiel und Peter F.-J. Steinhoff. Sie finden darin zahlreiche theoretisch-konzeptionelle Beiträge sowie Fallbeispiele aus der Praxis zum „Enterprise Transformation Cycle“.

Quelle Coverbild: © Blue Planet Studio | Adobe Stock

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