Nachhaltigkeit in Unternehmen umsetzen – warum gerade jetzt?

Stefan Vieweg

Stefan Vieweg

20. Mai 2022

Das Megathema Nachhaltigkeit wird in diesem Beitrag aus der Perspektive für zusätzliche Potenziale betrachtet und konkrete Handlungsempfehlungen für die durch verschärfte Regulatorik zunehmend komplexer werdenden Thematik gegeben. Im ersten Teil seines Beitrags zum Thema Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeits-Berichterstattung zeigt Stefan Vieweg, warum Nachhaltigkeit gerade jetzt ganz oben auf der Agenda stehen sollte.

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Warum überhaupt die Nachhaltigkeitswelle reiten? – Gibt es denn derzeit nichts Wichtigeres?

Trotz Turbulenzen auf der globalen und geopolitischen Bühne mit nicht erahnten oder lange überwunden geglaubten, essenziellen Bedrohungen darf das Thema Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verloren werden: Letztlich sind viele schon jetzt existierende und zukünftig zu erwartende Probleme genau auf die mangelnde Nachhaltigkeit zurückzuführen.

Vor 50 Jahren warnte der Club of Rome

Und hier hilft vielleicht ein kurzer Exkurs in die Vergangenheit: Am 2. März 1972 – also vor 50 Jahren – haben ein internationales MIT-Wissenschaftlerteam um Dennis L. Meadows dem Club of Rome und der Weltöffentlichkeit mit „The Limits to Growth“ ihre Simulationsergebnisse und dringenden Handlungsempfehlungen für die Erhaltung eines lebensfähigen Planeten Erde vorgestellt: Das globale Natursystem, in dem wir alle leben, kann das derzeitige Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum nicht lange über das nächste Jahrhundert hinaus tragen.

Logo Club of Rome
© Club of Rome

Seinerzeit hieß die Kernaussage:

„Bei den gegenwärtigen [1972] Wachstumstrends der Weltbevölkerung[1], der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Erschöpfung der Ressourcen werden die Grenzen des Wachstums auf diesem Planeten irgendwann innerhalb der nächsten hundert Jahre erreicht werden.“

Was folgt daraus?

Als Reaktion auf diese prognostizierte Entwicklung sind zwei Optionen möglich:

  1. Das wahrscheinlichste Ergebnis wird ein ziemlich plötzlicher und unkontrollierbarer Rückgang sowohl der Bevölkerung als auch der industriellen Kapazität sein.
  2. „Es ist möglich, diese Wachstumstrends zu ändern […]. Der Zustand des globalen Gleichgewichts könnte so gestaltet werden, dass die materiellen Grundbedürfnisse jedes Menschen auf der Erde befriedigt werden und jeder Mensch die gleiche Chance hat, sein individuelles menschliches Potenzial zu verwirklichen.“

Aber selbst, wenn die Wachstumstrends geändert werden, so werden

„[d]ie Maßnahmen […] realistischerweise mindestens 50 Jahre brauchen, bis dieses ausbalancierte Gleichgewicht in einem geregelten Prozess erreicht werden wird“ und „[m]it jedem Jahr der Verzögerung wird die geregelte Transition zu der stabilen Situation viel schwerer und verringert unsere bleibenden Handlungsmöglichkeiten.

Es sei dem Leser überlassen zu interpretieren, was in den letzten 50 Jahren erreicht wurde.

Kaum verwunderlich dürfte es sein, dass wir von jener vor 50 Jahren empfohlenen, geordneten Transition weiter denn je entfernt sind.

Warum wurde bisher so wenig in Sachen Nachhaltigkeit erreicht?

Hier bringt es der erste Berater des US-Präsidenten in Sachen Globale Ressourcen und Umwelt, der Yale-University Professor Gus Speth, in seiner messerscharfen Analyse auf den Punkt:

I used to think the top global environmental problems were biodiversity loss, ecosystem collapse and climate change. I thought that with 30 years of good science we could address these problems.

But I was wrong.

The top environmental problems are selfishness, greed and apathy, and to deal with these we need a spiritual and cultural transformation, and we scientists don’t know how to do that.“

Nachhaltigkeit ernst zu nehmen, zahlt sich aus – auch kurzfristig und ökonomisch

Apathie, wie auch Angst, sind generell keine guten Ratgeber – auch nicht für Unternehmen. Man bedenke, dass das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft fest verankert ist:

  • Nach einer Reihe von UN-Konferenzen mit dem Pariser Abkommen von 2015 wurde das Minimalziel eines Temperaturanstiegs von höchstens 2°C festgelegt. Dessen Umsetzung wurde nachfolgend konkretisiert; unter anderem auf der UN-Klimawandel-Konferenz in Glasgow 2021.
  • Seit 2019 finden regelmäßig Fridays-for-Future-Demos statt.
  • Ein klares politisch Bekenntnis zum Klimaschutz seitens der neuen EU-Kommission mit dem „Green Deal“ und einem daraus abgeleiteten Umlenken von finanziellen Ressourcen (2019).
  • Es gibt in Deutschland keine demokratische politische Partei, die sich nicht beim Thema Nachhaltigkeit positioniert.
  • In der Realwirtschaft beobachten wir eine zunehmende Ausdehnung des Angebots des Produktsortiments auf „bio“- oder „öko“-gelabelte Produkte (allein bei ersterem 9% Zuwachs p.a.[2]) etc. bis hin zu sehr erfolgreichem „fundamentalüberzeugtem Unternehmertum“ mit Ansätzen der Gemeinwohl-Ökonomie.

Wirtschaftliche Gründe für mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen

Es gibt mindestens zwei sehr pragmatisch-wirtschaftliche Gründe, weshalb sich Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit pro-aktiv auseinandersetzen sollten:

  1. Quick-Win-Win: Gezielte Nachhaltigkeitsmaßnahmen führen zu konkreten Ressourceneinsparungen und Qualitätsverbesserungen, die sich direkt kurz- oder mittelfristig auch ökonomisch positiv Die Bandbreite der Maßnahmen reicht von der Prozessverbesserung im Kleinen (wie Einsparungen von nicht ausgedruckten E-Mails über Minimierung von Dienstreisen) bis hin zu substanziellen Investitionen in effizientere Maschinen und Produktionsabläufe mit deutlich reduzierten Emissionen. Investition in einem (NOCH!) vergleichsweise komfortablen Zinsniveau sind daher dringender denn je zu überlegen.
  2. Die frühzeitige Auseinandersetzung und transparente Berichterstattung zum Thema Nachhaltigkeit führen zu gewinnendem Stakeholder-Management, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.

Kundenbindung durch Nachhaltigkeit

Die Kundenbindung ist durch authentische Kommunikation über Ziele und erreichte Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit deutlich leichter möglich. Dies zeigt z.B. eine Umfrage, die von IFAK, GfK Media and Communication Research, und forsa marplan zwischen 2017 und 2021 durchgeführt wurde: Die Bevölkerung in Deutschland wurde nach ihrer Einstellung zu folgender Aussage befragt: „Beim Kauf von Produkten ist es mir wichtig, dass das jeweilige Unternehmen sozial und ökologisch verantwortlich handelt“

Kundenbefragung: Beim Kauf von Produkten ist es mir wichtig, dass das Unternehmen sozial und ökologisch verantwortlich handelt.
© Stefan Vieweg; eigene Darstellung basierend auf Daten: VuMA (17.11.2021). Bevölkerung in Deutschland nach Einstellung zur Aussage „Beim Kauf von Produkten ist es mir wichtig, dass das Unternehmen sozial und ökologisch verantwortlich handelt.“ von 2017 bis 2021 (in Millionen). In Statista, Zugriff am 10.05.2022 von https://de.statista.com/daten/studie/182042/umfrage/kaufkriterium-soziale-verantwortung-oekologische-verantwortung/

In den vier Jahren ist die Zustimmung beachtlich gestiegen (5% p.a. für „trifft voll und ganz zu“, 3% p.a. bei „trifft (meist) zu“, während zeitgleich die (teilweise) Ablehnung um je 4% p.a. gesunken ist) und erreicht 2021 mit 58% bereits deutlich mehr als die Hälfte.

HR: Employer Branding durch Nachhaltigkeit

Im HR-Bereich zeigt sich deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit für das Employer Branding bedeutend ist, da bereits gut ein Drittel der Befragten einer Randstad/Civey-Studie (2020) zufolge bei der Arbeitgeberwahl das als wichtiges Entscheidungskriterium sehen und für mehr als die Hälfte der befragten Personalverantwortlichen Nachhaltigkeit als Mittel der Mitarbeiterbindung gesehen wird. Hierbei sollte man bedenken, dass das Thema Nachhaltigkeit sich nicht nur auf Mülltrennung oder CO2-Ausstoß bezieht, sondern insbesondere auch die sozialen Aspekte berücksichtigt.

Fazit und Ausblick

Die Gründe für Unternehmen, nachhaltiger zu werden und in das Thema zu investieren, sind klar: Zum einen ist es ihre gesellschaftliche Pflicht als Unternehmer, so wie wir alle dazu beitragen müssen, unseren Planeten zu erhalten. Zum anderen lohnt es sich auch ganz wirtschaftlich pragmatisch.

Doch wie genau kann mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen verankert werden? Und wo liegen die Fallstricke einer solchen Transition? Mehr dazu erfahren Sie im zweiten Teil des Artikels von Stefan Vieweg, der am Montag, 30.05.2022 erscheint.

Frau mit Kopfhoerern vor Laptop bei E-Learning
Bild: © LIGHTFIELD STUDIOS | Adobe Stock

Jetzt anmelden zur TCI-Online-Veranstaltung „Mit Nachhaltigkeit gewinnen – Berichterstattung mit dem Deutschen Nachhaltigkeits-Kodex“

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Bei Fragen steht Ihnen Stefan Vieweg gerne unter DNK@vieweg-beratung.de zur Verfügung.

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Quelle Coverbild: © ipopba | Adobe Stock

[1] Derzeit [2022] haben wir einen Zuwachs von 90 Millionen Menschen pro Jahr, für 2023 wird die Marke von 8 Milliarden erwartet, also dem Jahr, in dem Indien China von Platz 1 hinsichtlich Bevölkerung verdrängt haben wird! (1974 erreichte die Weltbevölkerung 4 Milliarden)

[2] Eigene Darstellung, Datenquelle: oekolandbau.de. (18. Januar, 2022). Anzahl der Produkte mit Bio-Siegel in Deutschland in den Jahren 2004 bis 2021*. In Statista. Zugriff am 10. Mai 2022, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/421382/umfrage/produkte-mit-bio-siegel-in-deutschland/

Über den Autor

Stefan Vieweg

Stefan Vieweg

Prof. Dr. Stefan Vieweg, CFA ist bei der TCI Transformation Consulting International GmbH Managing Partner und für Business Development zuständig. Sein Fokus liegt auf nachhaltiger Transformation im digitalen Zeitalter und beinhaltet u.a. Agile Management (zertifizierter SAFe® SPC und RTE), systemische Organisationsentwicklung / Change Management, Compliance, CFO-Services, Nachhaltigkeits-Berichtserstattung (insbesondere DNK).

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