Um Transformationsprozesse zu professionalisieren, ist ein allgemeingültiger Ansatz mit strukturierter Begriffsverwendung notwendig. In seinem Beitrag zum Sammelband „Der Enterprise Transformation Cycle“ gibt Thomas Czekala dem ETC ein theoretisches Fundament, indem er Kriterien einer erfolgreichen Transformation entwickelt. Im Interview gibt er einen ersten Einblick in seine Operationalisierung des ETC.
„Der ETC koppelt praktische Anwendung mit theoretischem Methodenwissen“ – Thomas Czekala im Interview
Katja Heumader: Der Enterprise Transformation Cycle, kurz ETC, ist ein Transformationsmodell, das aus der praktischen Anwendung heraus entstanden ist. Ist das ein Manko?
Thomas Czekala: Der ETC ist das Ergebnis aus der Integration theoretischer Management-Tools und der Auswertung von Erfahrungen aus strukturierten Praxis-Projekten. Seit 2001 war ich mit Wolfgang Hellriegel an der Diskussion und Weiterentwicklung des ETC beteiligt und kenne von daher die verschiedenen ETC-Releases seit dieser Zeit. Wolfgang Hellriegel hat sehr stark die in der Literatur und Wissenschaft diskutierten betriebswirtschaftlichen Methoden im Blick gehabt und diese immer besser für die praktische Anwendung in Transformationsprojekten strukturiert. Der ETC ist damit die sinnvolle Verbindung aus Theorie und Praxis: praktische Anwendungserfahrungen haben wir stets mit den in der Literatur diskutierten Methoden gekoppelt.
KH: In Ihrem Beitrag im Sammelband „Der Enterprise Transformation Cycle“ liefern Sie ein theoretisches Fundament zum ETC. Was erhoffen Sie sich durch diese theoretische Grundlage hinsichtlich der Einsetzbarkeit und Wirksamkeit des ETC?
TC: So wie viele andere betriebswirtschaftliche Methoden ist auch der ETC nicht unbedingt für alle Fragestellungen die Methodik erster Wahl. Mit meinen theoretischen Ansätzen habe ich versucht, eine Einordnung des ETC im Gesamtkontext organisationaler Transformationssituationen zu ermöglichen. Wie Medikamente in der Medizin, die für einige Therapieformen wirksam sind und in anderen Situationen sogar schädlich, so ist auch der ETC für bestimmte Situationen wirksamer und in anderen eher ein Wertevernichter. Noch ist unklar, wo die Stärken und wo die Schwächen liegen. Mit meinen Ausführungen habe ich versucht, hierzu eine erste Diskussionsbasis zu schaffen.
KH: Sie entwickeln in Ihrem Beitrag ein 5-Phasen-Modell der Transformation. In welchem Zusammenhang steht dieses Modell mit dem ETC?
TC: Der ETC ist eines von verschiedenen betriebswirtschaftlichen Instrumenten, das in einer Transformationssituation durch einen Transformator als Hilfsmittel eingesetzt werden kann. Bislang gab es für mich keine befriedigende allgemeine Beschreibung, was und wie eine solche Transformationssituation generell und allgemein strukturiert beschrieben werde könnte. Mit den generellen fünf Phasen einer Transformationssituation habe ich versucht, dem ETC und auch den anderen Instrumenten ihre Anwendungssituation modellhaft allgemein zu beschreiben.
„Methoden sind Handlungsleitplanken im Transformationsprozess“
KH: Welche Anforderungen muss ein Transformationsansatz generell erfüllen?
TC: In meinem Buchbeitrag habe ich diese Anforderungen versucht zu beschreiben. Verkürzt kann man sagen, dass ein guter Transformationsansatz dem Transformator bei seiner Arbeit spürbar und zuverlässig helfen muss. Diese Hilfe kann sich zum einen in der Verbesserung der Effektivität, zum anderen in der Verbesserung der Effizienz oder auch in der Verbesserung der Chancen-Risiko-Situation des Transformationsprojektes zeigen. Interessant ist, dass Transformationsansätze wie der ETC damit eher als moderner Hammer für den Zimmermann zu verstehen sind und weniger als ein Werkzeug des Bauherrn.
KH: Jedes Unternehmen ist anders, jedes Unternehmen hat unterschiedliche Zielsetzungen hinsichtlich seiner Transformation. Kann es da überhaupt einen Ansatz für alle geben?
TC: Transformation ist als Überführung einer Situation vom Zustand A in einen neuen Zustand B definiert. Die Situation des Unternehmens und auch die verfolgten Zielsetzungen sind Modellvariablen, die zwar wichtige Faktoren sind, aber im Transformationsprozess methodisch verarbeitet werden können und müssen. Der ETC und auch die anderen Methoden sind Handlungsleitplanken, die unabhängig sind vom verarbeiteten Situationskontext.
KH: Big Data trägt derzeit zu disruptiven Innovationen in den verschiedensten Gebieten bei – u.a. im Bereich KI und in der Medizin. Inwieweit stützen sich auch Transformationsprozesse auf valide und reliable große Datenmengen?
TC: Obwohl ich ein Zahlenmensch bin und in meinem ersten Leben als Controller und CFO im Big Data sozialisiert wurde, ist in meinen bislang rund 50 Transformationsprojekten der Bedarf an der Erhebung und Verarbeitung großer Datenbanken bislang nicht aufgetreten. Die organisationale Transformation ist eher eine Frage qualitativer und struktureller Fragestellungen. Es mag sein, dass für die Findung und Bewertung von Einzelfragestellungen oftmals auch größere Datenmengen analysiert werden müssen. Es hat sich auch gezeigt, dass KI-basierte, nicht direkt intuitiv nachvollziehbare Ergebnisse die Einbindung („buy in“) der Mitarbeiter in Veränderungsprozesse deutlich erschweren.
KH: Lieber Herr Czekala, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch und wünsche Ihnen auch für 2019 weiterhin viel Erfolg mit spannenden Projekten.
„Der Enterprise Transformation Cycle“ – erschienen Januar 2019
Die Transformation Consulting International begleitet seit vielenJahren national und international Transformationsprojekte in Unternehmen. Aus dieser umfangreichen praktischen Erfahrung ist nun der Band „Der Enterprise Transformation Cycle“, erschienen im renommierten Springer-Verlag, herausgegeben von Mario A. Pfannstiel und Peter F.-J. Steinhoff, entstanden. In dem gut 400 Seiten umfassenden Sammelband schildern zahlreiche Autorinnen und Autoren in theoretisch-konzeptionellen Beiträgen sowie in Fallbeispielen aus der Praxis die umfangreiche Anwendbarkeit des agilen und flexiblen Ansatzes „Enterprise Transformation Cycle“.
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