Die Informationsaufbereitung in Zeiten großer Datenmengen nimmt eine immer größere Bedeutung ein. Fehlerhafte Daten und Diskrepanzen führen meist zu Mehraufwänden und zusätzlichen Kosten, die den Arbeitsablauf entscheidend stören. Das Unternehmen A fungiert als Dienstleister im Messwesen für einen Konzern der Lebensmittelbranche. Die Dienstleistung beinhaltet den Ein- und Ausbau sowie Betreibung der Messstelle. Die Abrechnung der Dienstleistung erfolgt über die Stammdaten. Durch abweichende Daten der beiden Unternehmen können allerdings fehlerhafte Abrechnungen entstehen. Zur Lösung der Problemstellung soll der gesamte Prozess an einen externen Dienstleister outgesourct werden. Im folgenden Beitrag werden die relevanten Faktoren für eine Optimierung im Abrechnungsprozess berücksichtigt und anhand eines Szenarios durchgespielt. Dabei wird klar, dass ein besonderer Fokus auf individuelle Details gerichtet muss, die die Organisationsstruktur im Unternehmen betreffen.
Wo die Zahlen stimmen müssen: Beschreibung des Abrechnungsprozesses
Zunächst zur Ausgangssituation: Wenn Datendiskrepanzen vorliegen, wirken sich diese auf zwei Teilprozesse aus, dem Prozess der Rechnungsstellung zum einen und dem Zahlungseingangsmanagement zum anderen. Vor der Rechnungsstellung müssen einige Schritte zur Vorbereitung getroffen werden. So wird der monatliche Stammdatenreport, mit allen nötigen Informationen zur Abrechnung und Zuordnung, manuell mit der Liste des Marktpartners abgeglichen. Die voneinander abweichenden Zählpunkte werden aussortiert und mithilfe einer Liste erfasst. Diese Zählpunkte werden nach Klärung zusätzlich zur Gesamtrechnung wiederum manuell in Rechnung gestellt.
1. Rechnungsstellung
Die bereinigte Liste wird im vorliegenden Beispielfall in das Abrechnungstool EDIFACT hochgeladen, zur Erstellung der Rechnung für den monatlichen Messstellenbetrieb. Im Abrechnungstool werden zwei Dateien erstellt – eine PDF-Datei und eine INVOICE-Datei, also eine Rechnungsdatei. Die PDF-Datei wird mit dem zugehörigen Buchungsbeleg zur Rechnungslegung geschickt und von dort ins SAP-System hochgeladen. Die INVOICE-Datei wird zur Prüfung auf Korrektheit in den EDIFACT-Konverter geladen. Anschließend wird die Datei in das ArcMind, das Marktkommunikationssystem, hochgeladen und an den Kunden versendet.
2. Zahlungseingangsmanagement
Folgend auf die zugestellte Rechnung wird die Rechnung vom Marktpartner geprüft und entweder vollständig beglichen oder die Rechnung wird aufgrund fehlerhafter Zählpunkte abgelehnt. Im Falle der Ablehnung wird der Teilbetrag der für richtig befundenen Zählpunkte überwiesen. Die Gründe der abgelehnten Zählpunkte werden per E-Mail an das Unternehmen A geschickt und erfordern einer weiteren Klärung.
Nach Ablehnung der Rechnung bedarf es einer Stornierung der ersten Rechnung und einer Neuerstellung einer Papierrechnung. Die Zustellung der Papierrechnung erfolgt per Post an den Kunden.
Fehleranfälligkeit des Abrechnungsprozesses
Die hohe Fehleranfälligkeit im Beispielunternehmen machen häufige manuelle Eingriffe nötig. So können potenzielle Fehler bereits in den jeweiligen Stammdaten zu finden sein – bei beiden Marktpartnern: Das Unternehmen A bekommt als Ein- oder Ausbaudatum die Daten des Netzbetreibers übermittelt. Der Kunde pflegt in seine Stammdaten jedoch die eigenen Daten ein. Zudem wiederholt sich jeden Monat dieser Prozess durch die vertraglich vereinbarte monatliche Abrechnung.
Eine zusätzliche Fehlerquelle bildet sich durch die Umstellung auf der Zählpunktbezeichnung auf die Marktlokation, die im Februar 2018 in Kraft getreten ist (siehe hierzu BDEW, insbesondere Seite 11). Durch die Umstellung kommt es zu Zuordnungsproblemen der einzelnen Zählpunkte, die bei Diskrepanzen erneut eine Ablehnung hervorrufen.
Möglichkeiten der Optimierung des Abrechnungsprozesses – Outsourcing und seine Varianten
Die Lösung zur Optimierung des Prozesses bietet sich im vorliegenden Fall durch Outsourcing an, da es die einfachere und kostengünstigere Variante gegenüber einer Automatisierung ist. Der Grund für diese Entscheidung liegt in der hohen Fehleranfälligkeit und manuellen Eingriffen mit individuellen Entscheidungen. Die Umsetzung einer Automatisierung würde eine wesentliche Investition bedeuten, die sich aufgrund der befristeter Vertragslaufzeiten nicht amortisiert. Hinzu kommt, dass auch eine Automatisierung in diesem Prozess keinen fehlerfreien Ablauf gewähren könnte.
Das Outsourcing soll die Fokussierung auf die Kernkompetenzen, die Steuerung und Planung sowie Unterstützung des Managements durch die Finanzabteilung ermöglichen, die ansonsten aus Kapazitätsgründen fehlt. Der Dienstleister hat hingegen mehr freie Kapazitäten, um die Zählpunkte genauer zu überprüfen und somit die Fehleranfälligkeit zu reduzieren.
Strategische Dimensionen in Make-or-Buy-Entscheidungen
Die Sinnhaftigkeit des Outsourcings kann ganz allgemein an drei Faktoren festgemacht werden:
- Strategische Dimension
- Kostendimension
- Qualitative Dimension.
Die strategische Dimension bedeutet, Prozesse abzugeben, die ein Dienstleister kompetenter ausführen kann. Die Kostendimension stellt einen Vergleich der Kosten zwischen Eigen- und Fremdbezug her. Die qualitative Dimension besagt, dass der Prozess qualitativ die gleiche Wertigkeit haben sollte wie in der eigenen Durchführung. Bei den qualitativen Merkmalen spielen zudem die Kapazitätsauslastung und die risikowirtschaftliche Betrachtung eine entscheidende Rolle.
Die Kapazitätsauslastung ist das Engpassgut der Abteilung. Unter der Voraussetzung der gleichen Wertigkeit ist es somit sinnvoll, den Prozess an einen externen Dienstleister auszulagern.
Arten des Outsourcing: Der konkrete Weg zur Prozessoptimierung
Die Durchführungsart der Auslagerung lässt sich in folgenden fünf Einflussfaktoren definieren:
- Unternehmenszugehörigkeit
- Lokation
- Leistungsumfang
- Zahl der Leistungsersteller
- Zeit.
Unabhängig vom konkreten Bezug auf den Abrechnungsprozess im Beispielszenario spielen diese fünf Einflussfaktoren zur Entscheidung zwischen den Outsourcing-Varianten wohl zu jeder Maßnahme zur Prozessoptimierung eine Rolle.
1. Unternehmenszugehörigkeit
Die Unternehmenszugehörigkeit unterscheidet zwischen dem internen, also innerhalb des Unternehmens oder des Konzerns, und dem externen, außerhalb des Konzerns, Outsourcing. Durch die externe Vergabe soll die Wertschöpfungskette verbessert werden, indem die ausgelagerten Prozesse variabler, innovativer, kostengünstiger und optimierter erbracht werden. Die interne Auslagerung findet meistens in der Durchführungsform eines Shared Service Centers statt und übernimmt bestimmte gleichartige Funktionen oder Prozesse für mehrere Geschäftseinheiten.
2. Lokation
Die Standortbetrachtung unterteilt sich in Off- und Nearshoring. Beim Offshoring ist der zentrale Aspekt, die Leistung an ein Unternehmen beispielsweise in Indien zu vergeben. Verschiedene Möglichkeiten sind hier eine eigene Niederlassung oder die Vergabe an einen externen Dienstleister in der Offshore-Region. Das Nearshoring beschreibt die Vergabe des Prozesses in Ländern in der Nähe des outsourcenden Unternehmens. Erfahrungsgemäß handelt sich hier aus europäischer Sicht vermehrt um osteuropäische Länder.
3. Leistungsumfang
Beim Leistungsumfang geht es um die Menge der Auslagerung. Die drei Möglichkeiten sind das partielle Outsourcing, das totale Outsourcing und das Business Process Outsourcing. Das partielle Outsourcing zeichnet sich durch die Auslagerung einzelner Aufgaben eines Prozesses aus, wohingegen beim totalen Outsourcing der komplette Prozess betroffen ist. Beim Business Process Outsourcing wird zusätzlich, zum gesamten Prozess, die betriebsnotwendige Technik ausgelagert.
4. Anzahl der Leistungsersteller
Das Abwägen, an wie viele Dienstleister ein Prozess ausgelagert wird, ist die Entscheidung zwischen Single-Sourcing und Multi-Sourcing. Beim Single-Sourcing liegen die Vorteile in einer höheren Transparenz und Standardisierung und der besseren Steuerungsmöglichkeit. Die Nachteile bestehen in den Risiken durch Leistungsstörungen oder -ausfällen und im fehlenden Wettbewerb, der sich negativ auf die Produktivität auswirkt. Durch Multi-Sourcing können die Kosten durch den offenen Wettbewerb mehrerer Dienstleister gesenkt und die bestmögliche Qualität gewährleistet werden. Nachteilig wirken sich allerdings der große Verhandlungsaufwand und mögliche Komplikationen im Schnittstellenmanagement aus.
5. Zeit
Der Faktor Zeit, mit den Aspekten Insourcing und Back-Sourcing, beschäftigt sich mit der Rückführung oder Integration von extern erbrachten Dienstleistungen in das Unternehmen. Das Insourcing unterscheidet sich dadurch vom Back-Sourcing, dass der Prozess neu in das Unternehmen integriert wird und nicht zurück verlagert wird.*
Abrechnungsprozess optimieren: Zur Implementierung im Unternehmen
Bei dem beschriebenen Thema des Abrechnungsprozesses handelt sich um einen hoch individualisierten Prozess mit hohem manuellen Aufwand, bei dem enorme Kommunikationsanforderungen zwischen den Unternehmen bestehen. Umso höher ist dementsprechend die Kapazitätsauslastung. Die dadurch verbrauchten Kapazitäten fehlen wiederum für andere Tätigkeiten.
In der konkreten Anwendung auf den Prozess der Rechnungserstellung hat dies spürbare Auswirkungen auf das Unternehmen A: Durch die geringe Größe des Teams erschwert es die Machbarkeit einer Vertretung und zusätzlichen Übernahme von Aufgaben, bei Vorfällen wie Krankheit, Urlaub oder der Zusatzbelastung einzelner Projekte oder Prozesse. Die Auslagerung des Prozesses würde somit nicht nur eine Fokussierung auf die Kernaufgaben der Finanzabteilung ermöglichen, sondern auch eine größere Planungssicherheit des Zeitmanagements bewirken.
Der richtige Lösungsansatz zum Outsourcing der Rechnungserstellung
Die hohe Komplexität und Individualität des Prozesses erschwert eine optimale Lösung, wodurch eine individuelle Bewertung der individuellen Faktoren des Unternehmens notwendig wird. Der optimale Ansatz aus den oben beschriebenen Faktoren für Unternehmen A setzt sich wie folgt zusammen:
Im hier vorliegenden Fall wäre ein totales Outsourcing der geeignetste Weg; mit dem Zusatz, dass der externe Dienstleister Zugriff auf die nötigen Daten aus dem System bekommt. Dies käme einer Mischung aus dem totalen und dem Business Process Outsourcing gleich.
Durch die speziellen Anforderungen und die häufige Kundenkommunikation stellt sich der Prozess eignet sich der Prozess in der Frage des internen oder externen Outsourcings besser für das externe Outsourcing. Für die interne Ausgliederung in ein Shared Service Center sind vor allem Prozesse geeignet, die eine hohe Standardisierbarkeit und keine große Nähe zum Kunden aufweisen. Die hohe Fehleranfälligkeit lässt diese Standardisierung jedoch nicht zu.
Die Frage nach der Anzahl der Hersteller ist leichter zu beantworten. Der Prozess lässt sich in maximal zwei Teile, Rechnungsstellung und Zahlungseingangsmanagement, aufteilen. Aufgrund der besseren Spezialisierung und Kommunikation wird der Prozess idealerweise auf ein anderes Unternehmen übertragen. Zur Kostenoptimierung sollte die Ausschreibung des Angebots für mehrere Dienstleister gelten, allerdings sollte von einer Praktizierung des Multi-Sourcing abgesehen werden.
Abschließend wird die Lokation festgelegt. Die Auslagerung von nur einem Prozess in ein Niedriglohnland würde den Aufwand und die Risiken gegenübergestellt mit den Erträgen nicht rechtfertigen. Gleiches gilt für das Nearshoring. Bei beiden Alternativen könnte es unter Umständen zu Kommunikations- und Qualitätsproblemen kommen. Die Dienstleistung im eigenen Land zu vergeben erscheint in diesem Szenario als die geeignetste Methode: Die Vorteile gleichen die höheren Kosten aus und im vorliegenden Fall liegt der Hauptgrund für die Auslagerung in der Kapazitätsauslastung – und nicht in der Kostensenkung.
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Siehe zur Einführung neuer Prozesse auch der Beitrag „Projektmarketing – der Schlüssel zu Interesse, Akzeptanz, Engagement und Support“ hier auf dem TCI-Blog.
Dieser Beitrag wurde von Professor Dr. Peter Steinhoff in Zusammenarbeit mit Maximilian Plutka verfasst. Herr Plutka hat seinen B.Sc. in Wirtschaftswissenschaft an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg absolviert und studiert aktuell im Master Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt International Accounting an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning/München. Er arbeitet als Werkstudent bei E.ON Metering im Bereich Controlling.
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