Die Zusammenarbeit im Unternehmen lebt von ganz essenziellen Grundvoraussetzungen – und diese sind umso entscheidender, wenn das Unternehmen im Transformationsprozess begriffen ist. Ein hilfreicher Ansatz ist dabei, das Unternehmen als lebendes System zu verstehen; mit all seinen Vorteilen und Eigenheiten, was die richtige Führung betrifft. Diesem Thema widmet sich der erste Beitrag im neuen Sammelband „Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern: Projekte erfolgreich planen, durchführen und abschließen“, der vor Kurzem von Peter Steinhoff und Mario Pfannstiel herausgegeben wurde. Die Autor*innen des ersten Beitrags im Buch, Dr. Georg Leppelmann (GEL) und Gabriele Leppelmann (GAL), geben im folgenden Interview einen spannenden Einblick, was konstruktive Vernetzung bedeutet, was sie bewirken kann und welche Erfolgsvoraussetzungen es dabei zu beachten gilt.
Vorab-Anmerkung der TCI-Redaktion: Lesen Sie gern auch Teil Zwei des Interviews, Erfolgreiche Unternehmen: Performance und Transformation gehen Hand in Hand!
Prämisse der Zusammenarbeit: Konstruktive Vernetzung im Unternehmen
Beate Greisel: Schönen guten Tag Herr Dr. Leppelmann, Frau Leppelmann, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Interview nehmen! Gleich zu Beginn Ihres Beitrags im neuen Band zum Thema Enterprise Transformation Cycle (kurz: ETC) heben Sie die Notwendigkeit hervor, dass sich die einzelnen Elemente einer Organisation konstruktiv miteinander verbinden. Woran lässt sich denn erkennen, dass eine konstruktive Vernetzung stattfindet, im Gegensatz eben zu einer beispielsweise destruktiven Vernetzung?
Dr. Georg Leppelmann: Wir erleben häufig destruktive Verbindungen in Unternehmen, die sich dann beispielsweise in Misstrauen manifestieren – das wiederum zu Mikromanagement führt und letztlich einen enormen Energieverlust bedeutet. Wo hingegen die Verbindungen stimmen, wo Vertrauen zwischen den Menschen aufgebaut wird, entstehen Räume für selbstverantwortliche Umsetzung.
Gabriele Leppelmann: Erkennen kann man diese konstruktiven Verbindungen einerseits daran, wie Aufgaben erfüllt werden – also effektiv und effizient. Und andererseits natürlich daran, dass Menschen gerne und innovativ zusammenarbeiten und ihr gesamtes Potenzial einsetzen können.
BGR: Was genau hat das mit Führung zu tun?
GEL: Führung – verstanden als Funktion – ist verantwortlich dafür, dass diese konstruktiven Verbindungen entstehen. Wir fokussieren uns bei der Begleitung einer Transformation darauf, dass die Menschen mit ihren Aufgaben verbunden sind, sodass sie im Sinne der Unternehmensziele daran arbeiten.
GAL: Führung ist aus unserer Sicht auch das verbindende Element zwischen Menschen und Aufgaben. Wir alle werden von irgendetwas geführt. Seien es grundlegende Werte und Überzeugungen oder Anforderungen von außen. Und auch ein Unternehmen braucht Führung, weil es ja in eine bestimmte Richtung agieren soll. Es hat einen Unternehmenszweck, aus dem heraus agiert wird, einen Sinn. Der sollte klar sein, damit Aufgaben gemeinsam verstanden werden können.
Unternehmen können flexibel auf Einflüsse reagieren, eben weil die Mitarbeitenden menschlich sind
BGR: In Ihrem Beitrag bezeichnen Sie Unternehmen als lebendes System, das komplexen, gar chaotischen Einflüssen von außen unterworfen ist. Dabei denkt man häufig zunächst an Marktfaktoren und Wettbewerbsfähigkeit. Welche Rolle hingegen spielen die Menschen in diesem Verständnis eines Unternehmens?
GEL: Die Menschen machen ein Unternehmen lebendig. Unternehmen sind ja eigentlich Konstrukte, die Menschen zu einem bestimmten Zweck errichten. Und erst in einer positiv emotionalen Verbindung entsteht die Lebendigkeit des Unternehmens.
GAL: Alle Systeme, ob mechanisch oder lebendig, sind wechselnden Einflüssen von außen unterworfen. Wir leben in einer Welt, in der sich die Umweltbedingungen ständig verändern. Und wir sind davon überzeugt, dass ein lebendes System besser auf diese Einflüsse reagieren kann als ein mechanisches System, weil es flexibel und zugleich stabil sein kann. Und da kommen die Menschen ins Spiel. Die Menschen machen das Leben im System aus. Es sind nicht die Aufgaben und auch nicht die Maschinen. Es sind gerade die lebendigen menschlichen Qualitäten, die dazu führen, dass flexibel reagiert werden kann, dass Faktoren von außen wahrgenommen werden können und dass im Innen stabile Verbindungen und Innovationen entstehen.
BGR: Welche Bedeutung haben diese Zusammenhänge für ein Transformationsvorhaben, sowohl im Hinblick auf die Planung als auch auf die Umsetzung?
GAL: Wichtig ist es, den „Faktor“ Mensch auch menschlich zu betrachten. Wir sehen Menschen sowohl als emotionale als auch als rationale Wesen in ihrem Handeln. Menschen sind zu Großartigem fähig, wenn sie rational denken und emotional handeln. Das ist es, was unsere Spezies einzigartig macht, dass wir ein großes Frontalhirn haben. Damit können wir planerisch denken. Und gleichzeitig lassen uns Emotionen wie Neugier immer wieder nach Neuem streben. So sind viele großartige Innovationen der Menschheit entstanden. Daher betrachten wir Menschen im Dreiklang von Emotion, Kognition und Aktion: Was sind die Emotionen, die gerade führen? Wie kann das Denkpotenzial bestmöglich ausgeschöpft werden? Und wie gelingt eine effektive und effiziente Umsetzung?
Wie Führungskräfte die richtigen Grundvoraussetzungen schaffen
BGR: Wie können Führungskräfte diese Entwicklung ideal unterstützen?
GAL: Führungskräfte können viel dazu beitragen. Das Wichtigste ist aus unserer Sicht, einen Rahmen zu schaffen, der sowohl Sicherheit gibt als auch Freiheit zulässt. Zum einen geht es darum, gerade in unsicheren Zeiten Halt zu geben. Und zum anderen geht es darum, Richtung zu geben. Führung gibt Richtung, indem sie den Sinn der Aufgaben vermittelt. Und durch Vertrauen entsteht Halt: Wenn Menschen der Führung vertrauen und die Führung den Menschen vertraut, entsteht gemeinsame Verantwortung in dem Sinne, dass sich auch jede*r Einzelne für das große Ganze verantwortlich fühlt.
GEL: Und Führungskräfte können – im Bild des lebenden Systems bleibend – die Elemente des Unternehmens wie Organe im Körper so verbinden, dass sie zum Überleben und für Wachstum zusammenwirken können.
BGR: Liebe Frau Leppelmann, lieber Herr Dr. Leppelmann, ich danke Ihnen sehr für diese hochinteressanten Einblicke und gedanklichen Anstöße! Wir setzen das Gespräch in einem zweiten Beitragsteil fort.
Das Interview mit Dr. Georg Leppelmann und Gabriele Leppelmann führte Beate Greisel für die TCI-Redaktion.
Lesen Sie auch Teil Zwei des Interviews – Erfolgreiche Unternehmen: Performance und Transformation gehen Hand in Hand!
„Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern“ – erschienen August 2020
Die Transformation Consulting International begleitet seit vielen Jahren national und international Transformationsprojekte in Unternehmen. Basierend auf diesem umfangreichen Erfahrungsschatz zur praktischen Umsetzung ist nach dem ersten Band „Der Enterprise Transformation Cycle“ der zweite Band mit dem Titel „Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern: Projekte erfolgreich planen, durchführen und abschließen“ im renommierten Springer-Verlag erschienen. Als Weiterführung zum ersten Band berücksichtigt dieser weitere Wünsche und Anregungen von Lesenden und legt konkrete Transformationsprojekte und Handlungssituationen von Expert*innen der TCI in ihrer täglichen Anwendung des ETC dar. Auch dieser Band wurde herausgegeben von Mario A. Pfannstiel und Peter F.-J. Steinhoff und umfasst gut 500 Seiten. Darin finden Sie zahlreiche theoretisch-konzeptionelle Beiträgen sowie Fallbeispiele aus der Praxis zum „Enterprise Transformation Cycle“.
(Coverbild: © Jacob Lund | Adobe Stock)