Herausforderung IT Outsourcing: Wie Sie Ihre Mitarbeiter an Bord holen und das Projekt gelingen lassen – Interview mit Professor Dr. Peter Steinhoff

Peter Steinhoff

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26. März 2019

Immer mehr Unternehmen kennen sie und setzen sie auch um: Eine Auslagerung der IT ins Ausland, insbesondere nach Indien, ist inzwischen gängige Praxis. Dennoch sind die Herausforderungen und Problemstellungen nicht zu unterschätzen, die dabei auftreten können. Welche diese sind und wie Sie sie in Ihrem Unternehmen von vornherein vermeiden, erklärt Professor Dr. Peter Steinhoff. Darin stützt er seine Beobachtungen und hilfreichen Tipps auf einer umfassenden Studie, die im Kontext einer zentralen Auslagerung mittels Tochterunternehmen den Ablauf des IT Outsourcings und konkrete Lösungsansätze skizziert.

So gelingt die zentrale Auslagerung der IT ins Ausland reibungslos

Schönen guten Tag Herr Professor Dr. Steinhoff! Was ist Ihrer Erfahrung nach die typische grundlegende Motivation von Unternehmen, wenn sie sich zu einer zentralen Auslagerung der IT ins Ausland entschließen – eben beispielsweise nach Indien?

In 2018 haben wir eine Umfrage beziehungsweise Studie mit einem mittelständischen Konzern gemacht, der den Entschluss gefasst hat, den First und Second Level IT Support zu zentralisieren und bis 2020 nach Indien auszulagern. Das Unternehmen hat zu diesem Zweck ein Tochterunternehmen in Indien gegründet. Interessant ist, dass die Auslagerung damit nicht an ein externes Unternehmen ging, sondern selbst betrieben wird.

Die mehrheitlich strategischen Themen werden aber weiterhin bei der Konzernmutter verbleiben. Das deutsche Tochterunternehmen wurde schon 2016 hinsichtlich der Helpdesk-Betreuung umgestellt und fungiert seitdem als Pilot bei der Einführung. Unsere Studie wurde mit der deutschen Tochter durchgeführt.

Ziel der Verlegung und Zentralisierung von First und Second Level IT Support in Indien ist die effizientere Gestaltung der Prozesse. Ferner sollen die Kosten für die Bereitstellung des Supports vor Ort gesenkt und eine hohe Dienstleistungs-Qualität gewährleistet werden. Diese Ziele lassen sich durchaus als die Hauptziele begreifen, die Unternehmen mit diesem Vorhaben verfolgen.

Wie muss die grundlegende Vorgehensweise aussehen, damit dieses Vorhaben möglichst reibungslos funktioniert? Gibt es bestimmte „obligatorische“ Maßnahmen und Tools, die die Umsetzung erleichtern und optimieren?

Eine wichtige Erkenntnis unserer Untersuchung war, dass die Akzeptanz der Auslagerung und in weitere Folge auch die der indischen Kollegen sehr gering ist. Eine wesentliche Ursache liegt darin begründet, dass sich viele Mitarbeiter nicht ausreichend über Zentralisierung und Auslagerung des First- und Second Level IT Supports informiert gefühlt haben.

Hier zeigte sich, dass eine solch umfassende Transformation durch ein Transformationsmanagement eng begleitet werden muss. Es ist nicht nur relevant, das WAS und WARUM zu kommunizieren, sondern umso wichtiger, die Mitarbeiter auf dem Weg der Veränderung zu begleiten.

Bei einer Collaboration über Ländergrenzen hinweg gibt es ja einige klassische Herausforderungen, ob nun mit externen Partner*innen oder mit Mitarbeitenden einer Tochterfirma. Welche erfahrungsgemäß typischen Komplikationen ergeben sich durch diesen Schritt insbesondere aus der Sicht der Belegschaft?

Die Studie bestätigte, dass eine der größten Herausforderung ‚noch immer’ die unterschiedliche Sprache als eine der zentralen Themen zwischen den deutschen und indischen Dienstleistern angesehen werden kann. Sie ist sozusagen eine Schlüsselgröße für die Zufriedenheit und Akzeptanz und damit ein zentraler Faktor bei der Wahrnehmung der Qualität der erhaltenen Dienstleistung.

Interessanterweise gaben viele der Mitarbeiter an, dass sie Englisch sprechen. Dennoch hält die englische Sprache viele der Mitarbeiter davon ab, bei auftretenden IT-Problemen mit dem Helpdesk Kontakt aufzunehmen. Mit zunehmendem Alter der Mitarbeiter nimmt diese Bereitschaft noch weiter ab.

Die Sprachbarriere tritt also häufig nicht nur als Kommunikationsproblem auf den Plan, sondern lässt die Mitarbeitenden im Inland sogar teilweise davor zurückschrecken, überhaupt erst Kontakt mit dem ausgelagerten IT-Support Kontakt aufzunehmen. Wie gehen die Mitarbeiter mit dieser Problematik um?

Bei den unter 30-jährigen gaben gerade mal neun Prozent an, dass die englische Sprache als Hindernis bei der Kontaktaufnahme mit dem IT-Support wahrgenommen wird. Hingegen 40 Prozent der über 50-jährigen Mitarbeiter gaben an, dass sie aufgrund der englischen Sprache den Kontakt mit dem IT-Support meiden. Diese Mitarbeiter versuchen dann in der Regel, anderweitig Unterstützung zu bekommen. Da wird schnell der Kollege vor Ort um Hilfe gebeten oder es wird im Internet nach Abhilfe gesucht. Dadurch werden Arbeitsläufe gestört und es fallen vermeidbare Mehrkosten an.

Wie sieht es mit der Akzeptanz der Mitarbeitenden im Inland gegenüber der Mitarbeitenden im indischen Ausland ganz konkret aus: Wie gut wird die Auslagerung des IT-Supports mithilfe einer Tochterfirma insgesamt angenommen?

Wie die Studie zeigte, nimmt die Sprache auch hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Dienstleistung einen entscheidenden Einfluss. Je größer die Sprachbarriere ist, desto unzufriedener sind die Mitarbeiter mit der Unterstützung und mit der Lösungskompetenz des IT-Helpdesk. Sie haben sogar das Gefühl, dass Wichtigkeit und Dringlichkeit ihrer Anliegen weniger Beachtung finden.

Mit steigender Sprachbarriere nimmt auch die Akzeptanz der indischen Kollegen und des indischen Tochterunternehmens ab. Dies zeigt sich bei der Befragung teilweise sogar sehr deutlich. So stellen 20 Prozent der deutschen Mitarbeiter die Existenzberechtigung des indischen Unternehmens in Frage. Insbesondere mit zunehmenden Alter und größerer Sprachbarriere sinkt die Akzeptanz der Auslagerung. Die Daseinsberechtigung der indischen Kollegen wird besonders bei 70 Prozent der Mitarbeiter in Frage gestellt, die sich durch die Sprachbarriere gehindert fühlen, das Helpdesk zu kontaktieren.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Vorteile, die das IT Outsourcing nach Indien oder in andere Länder für Unternehmen mit sich bringt – und gleichen diese die entstehenden Komplikationen aus?

Die Auslagerung von IT-Dienstleistungen ist seit Jahren ein zentrales Thema in den Unternehmen und ist damit nicht mehr wegzudenken. Hatte die erste Auslagerungsphase hauptsächlich die Senkung der IT-Kosten im Fokus, so stehen heute Themen wie der Fachkräftemangel und damit die erheblichen Personalengpässe im IT-Bereich im Vordergrund. Dieser Fachkräftemangel wird durch die veränderte Rolle der IT, die sich vom Kostenfaktor zum Treiber der Digitalisierung entwickelt hat und muss, sogar noch beschleunigt.

Klar kommt es bei der Auslagerung zu Komplikationen, hauptsächlich natürlich bei der Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen und Ländergrenzen hinweg. Eine solche Auslagerung ist eine nicht zu unterschätzende Transformation im Unternehmen selbst, die entsprechend vorbereitet werden muss. Dazu braucht es das richtige Sourcing-Konzept, das unbedingt auch die interkulturelle Komponente entsprechend berücksichtigt.

Gibt es bei dieser Maßnahme so etwas wie „goldene Regeln“, die aus Unternehmenssicht bei der Auslagerung der IT unbedingt zu berücksichtigen sind, damit dieser Schritt reibungslos gelingen kann?

Ganz kurz gesprochen gibt es für mich genau zwei goldene Regeln, die beim IT Outsourcing unbedingt beachtet werden sollten:

  1. Ein schlechter Prozess wird durch das Auslagern nicht zwangsläufig zu einem guten Prozess.
  2. Don’t outsource thinking! Das war auch das Motto unseres Kongresses letztes Jahr in Neumarkt in der Oberpfalz. Der TCI-Blog hat darüber berichtet.

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Steinhoff, für die interessanten Ausführungen zum Thema IT Outsourcing ins Ausland und speziell nach Indien, das sich in diesem Bereich ja besonders großer Beliebtheit erfreut. Ihre Beobachtungen im Rahmen der Studie und hilfreichen Tipps zur zentralen Auslagerung bieten vielen Unternehmen eine wertvolle Hilfestellung – vielen Dank!

Das Interview mit Professor Dr. Peter Steinhoff führte die TCI-Redaktion.

 

Anmerkung der Redaktion: Kürzlich erschien ein Fachbeitrag von Professor Dr. Steinhoff in der Computerwoche, die die Auslagerung der IT nach Indien insbesondere aus der Sicht des Mittelstands beleuchtet.

(Coverbild: © Impact Photography | stock.adobe.com)

Über den Autor

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Prof. Dr. Peter Steinhoff ist Managing Partner der TCI Transformation Consulting International GmbH und Experte für Business Transformation im CFO- und CIO-Bereich. Zudem ist er Professor für Betriebswirtschaftslehre und als Speaker und Autor aktiv.

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