Worauf kommt es an, wenn Transformationen erfolgreich sein sollen? Horst Albert Guthmann verfügt als Management-Berater über 25 Jahre Erfahrung. Er ist überzeugt: Transparenz und Kommunikation mit den Stakeholdern sind erfolgskritisch, ebenso wie die Wahl des richtigen Vorgehens. Sein Vorgehen im Transformationsmanagement stellt er anhand von konkreten Projektbeispielen in seinem Beitrag „Sicherung von Wachstum, Innovation und Effizienz: Einblicke in Lösungen für kritische Herausforderungen im Unternehmensalltag“ im Sammelband „Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern“ vor. Horst Albert Guthmann erklärt darin gemeinsam mit Co-Autorin Catherine Obert, wie mit die bewusste Entscheidung für agiles oder klassisches Vorgehen die Lösung kritischer Herausforderungen unterstützt.
Anmerkung der TCI-Redaktion: Hier geht’s direkt zu Teil 1 des Interviews mit Horst Albert Guthmann Kultur entscheidend für nachhaltigen Erfolg im Change Management – Interview mit Horst Albert Guthmann
Ziele, Methoden und Prozesse in der Transformation aufeinander abstimmen
Katja Heumader: Wie nutzen Sie den Enterprise Transformation Cycle (ETC) in der Beratungspraxis von GG04?
Horst Albert Guthmann: Der ETC ist für uns wesentlich, um die Vollständigkeit der Abdeckung relevanter Aspekte einer Strategie und eines Organisations-Designs („Was?“) sicherzustellen. Der ETC greift traditionelle Ansätze wie das 7S Model von McKinsey auf und stellt den Prozess der Transformation stärker in den Mittelpunkt („Wie?“).
Wir erleben, dass im Prozess der Transformation („Wie?“), die Wahl des Vorgehens und die Frage, inwiefern kurzfristige Wirksamkeit zwingend erforderlich ist, entscheidende Bedeutung haben. Dies haben wir in unserem Buchartikel an Praxisbeispielen skizziert. Der Prozess der Transformation im ETC wird hierzu über zwei Aspekte operationalisiert, nämlich:
Wozu? – Erfordert die Umsetzung der Strategie eine Durchbruchsinnovation und damit agile Methoden (z.B. iteratives Vorgehen über Sprints) oder den Modus der Effizienzorientierung (z.B. Wasserfall bzw. Benchmarking)?

In der Praxis bewähren sich hybride Ansätze: Welcher Modus entlang der vier Phasen erfolgskritisch ist, ist situativ zu prüfen. Ist ein agiles oder effizienzorientiertes Vorgehen gewählt, kann es sinnvoll sein für einzelne Teilaspekte den Modus zu wechseln.
Womit? – Erfordert der Handlungsdruck unmittelbar wirksame und damit eher strukturelle Maßnahmen und welche kulturellen Maßnahmen sichern nachhaltig das Veränderungsmanagement entlang der vier Phasen und darüber hinaus ab?
Strukturelle Maßnahmen setzen an den Dimensionen des ETC („Was?“) an, so werden unmittelbar wirksame und nachhaltige Veränderungen angestoßen. Über die Weiterentwicklung der Fähigkeit einer Organisation hinaus zielen kulturelle Maßnahmen auf die Stärkung des Engagements und den Willen zur Erreichung gemeinsamer Ziele. Dies ermöglicht es, weitere Effizienzreserven und Potenziale zu heben.
Einbindung und Information der Stakeholder erfolgsentscheidend im Transformationsmanagement
KHE: Wie wichtig ist das Vorwissen der Stakeholder über den gewählten Transformationsansatz?
HAG: Information und Einbindung der Stakeholder stehen in direktem Zusammenhang mit dem Projekterfolg. Unsere Kunden und ihre Mitarbeiter sind sehr gut informiert, sie kennen eine Vielzahl von bewährten Transformationsansätzen.
Erfolgsentscheidend ist die Qualität der Zusammenarbeit mit den Stakeholdern. Bei der Wahl des Transformationsansatzes achten wir daher zum einen auf die Eignung der Herangehensweise für die jeweilige Herausforderung – also zum Beispiel ob wir mit KPIs und Benchmarking arbeiten, ob ein agiles Vorgehen oder klassische Herangehensweisen angezeigt sind. Zum anderen ist entscheidend, welche Kombination an Vorgehensweisen die höchste Akzeptanz bei den Stakeholdern erwarten lässt.
Im Fokus stehen dabei stets die Wirksamkeit, die unmittelbare Umsetzung aber eben auch die nachhaltige Weiterentwicklung und Förderung einer geeigneten unterstützenden Unternehmenskultur.
KHE: Was bedeutet das konkret für den Prozess der Transformation?
HAG: In jeder Phase der Transformation hinterfragen wir uns immer wieder kritisch und suchen Antworten auf die Frage, worauf es in der konkreten Situation ankommt:
- Welches Vorgehen (zum Beispiel agil oder Wasserfall) ist gefragt?
- Welche Methoden sind einzusetzen (zum Beispiel Kreativtechniken oder KPIs/Benchmarking)?
- Welche Unterstützung braucht das Team?
Entscheidend ist natürlich auch die Frage nach dem Leidensdruck. Also ob die Maßnahmen kurzfristig greifen müssen, ob Korrekturen erforderlich sind oder ob es im Kern um die nachhaltige systematische Weiterentwicklung geht. Oder aber, wie wir im Artikel beschrieben haben: Steht die Gestaltung eines Rahmens im Vordergrund, bei dem es darum geht, Grundlagen zu leben und eine Organisationskultur zur nachhaltigen Weiterentwicklung („Hilfe zur Selbsthilfe“) zu schaffen?
„Unsere Kunden schätzen unseren engpassorientierten und umsetzungsstarken Ansatz“
KHE: Wie profitieren Ihre Kunden konkret von Ihrer Beratung?
HAG: Unsere Kunden richten sich an uns, wenn hoher Leidensdruck zur Transformation besteht. Beispiele sind Kostendruck, rückläufige Erträge, bisher nicht erreichte Ziele beziehungsweise nicht umgesetzte Strategien, Ausbau und Einsatz von IT/KI, unzufriedene Kunden, hohe Fluktuation oder mangelndes Compliance mit Anforderungen der Aufsicht oder den eigenen Ansprüchen an die Leistung. Interne Ressourcen sind erschöpft oder die Expertise ist im eigenen Team nicht dauerhaft finanzierbar beziehungsweise kann nicht in ausreichend exzellenter Qualität vorgehalten werden.
Unsere Kunden schätzen unseren engpassorientierten umsetzungsstarken Ansatz. Wir lehnen uns dabei an bewährte Ansätze, wie zum Beispiel den TOC von Eliyahu Goldratt, an. Dabei wird einerseits mit kurzfristig wirksamen meist strukturellen Maßnahmen der Leidensdruck geheilt. Anderseits stärken wir mit ganzheitlichem Blick die Wettbewerbsfähigkeit über nachhaltige auch kulturelle Maßnahmen systematisch.
Seit 2015 haben wir unsere Leistungen um CxO Services erweitert. Der Hintergrund ist, dass wir erleben, dass die größten Effizienzreserven und Potentiale nur über eine Kombination aus strukturellen und kulturellen Maßnahmen gehoben werden können. Diese Maßnahmen zielen auf die nachhaltige Weiterentwicklung des „Why“, der Geschäfts- und Betriebsmodelle und die Fähigkeit und den Willen der Mitarbeiter ab, sich für die gemeinsamen Ziele einzusetzen. Wir übernehmen Rollen zur Unterstützung der Geschäftsführung, die in individuellen Situationen erforderlich sind (CFO, CHRO, CTO, CIO, COO, …). Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass eine Begleitung über einen längeren Zeitraum wertvoll ist, dies jedoch kein Vollzeit-Engagement von uns erfordert. Wir unterstützen die Geschäftsführung, das Board engpassorientiert und nennen unseren Service daher auch CaaS© (Chief as a Service) und haben diesen Begriff auch geschützt.
KHE: Abschließend würde mich noch interessieren, welche Skills Ihrer Meinung nach für Ihre Arbeit entscheidend sind. Schließlich mussten Sie sich in 25 Jahren als Management-Berater immer wieder neuen Herausforderungen stellen.
HAG: Es ist immer schwer über sich selbst zu sprechen, doch wenn ich an die Themen denke, die mich täglich bewegen, sind es sechs Fähigkeiten, auf die es aus meiner Sicht aktuell ankommt und mit denen wir unsere Kunden am besten unterstützen können:
- Das Setzen anspruchsvoller Ziele und die Unterstützung von Teams dabei, sich deren Erreichung auch zuzutrauen
- Kritisches, analytisches Denken und die Fähigkeit über Entscheidungen ins Handeln zu kommen
- IT/KI-Knowhow und ein Verständnis für den Prozess der Digitalisierung
- Anpassungsfähigkeit und kontinuierliches Lernen
- Soziale, interpersonelle Kompetenz und Empathie
- Unsere Erfahrung im Projektmanagement und, wie im Artikel an fünf Praxisbeispielen beschrieben, bewusst zur Unterstützung der Ziele „ambidextrisch“ zu arbeiten.
Das Interview mit Horst Albert Guthmann führte Dr. Katja Heumader für die TCI-Redaktion.
„Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern“ – erschienen August 2020
Die Transformation Consulting International begleitet seit vielen Jahren national und international Transformationsprojekte in Unternehmen. Basierend auf diesem umfangreichen Erfahrungsschatz zur praktischen Umsetzung ist nach dem ersten Band „Der Enterprise Transformation Cycle“ der zweite Band mit dem Titel „Transformationsvorhaben mit dem Enterprise Transformation Cycle meistern: Projekte erfolgreich planen, durchführen und abschließen“ im renommierten Springer-Verlag erschienen. Als Weiterführung zum ersten Band berücksichtigt dieser Wünsche und Anregungen von Lesenden und legt konkrete Transformationsprojekte und Handlungssituationen von Expert*innen der TCI in ihrer täglichen Anwendung des ETC dar. Herausgeber des über 500-seitigen Bandes sind Mario A. Pfannstiel und Peter F.-J. Steinhoff. Sie finden darin zahlreiche theoretisch-konzeptionelle Beiträge sowie Fallbeispiele aus der Praxis zum „Enterprise Transformation Cycle“.
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