Rollen in der agilen Software-Entwicklung: Product Owner und Proxy Product Owner

Der Proxy Product Owner ist eine Erfindung der Praxis: In der agilen Software-Entwicklung wird diese Rolle immer wieder definiert – auch wenn sie klassischerweise im Scrum-Framework nicht vorkommt. Wie sich die Rollen Product Owner und Proxy Product Owner unterscheiden und wie sie zusammenarbeiten, beschreibt Oliver Foitzik, der diese Rolle selbst innehat, im folgenden Beitrag.

Anmerkung der TCI-Redaktion: Lesen Sie hier auch Teil 2 des Artikels von Oliver Foitzik, in dem es um die Vor- und Nachteile der Rolle eines Proxy Product Owners geht.

Agile Software-Entwicklung

In den 1990er Jahren erfanden Jeff Sutherland und Ken Schwaber Scrum, bis heute eine der bekanntesten Methoden des agilen Projektmanagements, für die Software-Entwicklung. Mittlerweile werden agile Methoden in allen Bereichen des Projektmanagements angewandt.

Agilität als Reaktion auf steigende Anforderungen

Der Siegeszug der agilen Methoden ist ein Resultat immer komplexer werdender Anforderungen, komplizierter werdender Entwicklungsprozesse und schwer abzuschätzender Anforderungen an das Endprodukt. Agil, schnell, flexibel, wendig: Mithilfe agiler Methoden ist es möglich auf während des Projektes auftretende Veränderungen zu reagieren und diese in den Entwicklungsprozess zu integrieren.

Das Ergebnis: Produkte mit höherer Qualität, die die Kundenwünsche besser erfüllen, da diese regelmäßig mit dem aktuellen Stand der Entwicklung abgeglichen werden und bei Bedarf Anpassungen vorgenommen werden können.

Rollen im agilen Projektmanagement

Auch die Rollen sowie das Führungsverständnis in agilen Projekten unterscheiden sich von denen in Wasserfall-Projekten. Zwischen den verschiedenen Rollen gibt es keine Hierarchie: Niemand ist den anderen gegenüber weisungsbefugt.

Das Entwickler-Team

Den interdisziplinären Entwicklungsteams wird große Eigenverantwortung zugestanden. Sie organisieren sich selbst und arbeiten cross-funktional zusammen – das bedeutet, dass das Team in seiner Gesamtheit verschiedene Funktionen übernimmt. Die einzelnen Team-Mitglieder sind Spezialisten für ihre jeweilige Aufgabe.

Der Scrum Master

Der Scrum Master ist der Experte für die Methode. Er übernimmt eine Art Coaching-Rolle für das Team, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen und ein möglichst effizientes Arbeiten zu ermöglichen. Er „führt“ nach dem Prinzip der Servant Leadership.

Der Product Owner

Der Product Owner (PO) ist das Bindeglied zwischen Kunde und Team. Er vertritt die Interessen des Kunden und der Stakeholder; gleichzeitig legt er die Prioritäten und den Backlog für das Entwickler-Team fest. Seine Hauptaufgabe ist die Maximierung des Geschäftswertes des Endproduktes.

PO und PO-Proxy

In der Praxis wird neben Team, Scrum Master und Product Owner oftmals eine weitere Rolle eingeführt: Die des Proxy Product Owners (PO-Proxy). Diese Rolle übernimmt eine Mittlerrolle zwischen dem Team und dem Product Owner, unterstützt den PO bei seinen Aufgaben und nimmt Stellvertreter-Tätigkeiten wahr.

Die Rolle des POs ist mit großen Herausforderungen verbunden. Er übernimmt einerseits Aufgaben eines Projektleiters, die eines Produkt Managers, hat aber gleichzeitig keine Führungsfunktion, da die Teams ja eigenverantwortlich und selbstständig arbeiten.

Der Product Owner: Aufgaben und Herausforderungen

Die Hauptaufgabe des POs liegt in der Maximierung des Geschäftswertes – mit möglichst wenig Software soll er einen maximalen Geschäftswert erreichen. Dazu ist ein tiefes Verständnis für die Anforderungen des Kunden sowie eine Idee des fertigen Produktes und seines Nutzens notwendig. Er ist der Hauptansprechpartner des Kunden. Dabei sind kommunikative Fähigkeiten gefragt: Er muss die Anforderungen, die der Kunde hat, verstehen und sie an das Team weitergeben. Wichtig ist dabei, auch die Punkte, die der Kunde vielleicht nicht extra genannt hat, die aber dennoch wichtig sind, zu erfassen und den Teams mitzugeben. Dabei gilt es, die Präferenzen und Interessen von Kunden, eventuellen weiteren Stakeholdern und Team-Mitgliedern in Einklang zu bringen. Auch organisatorische Aufgaben übernimmt der PO, indem er Prioritäten setzt und den Backlog plant. Beim Product Owner liegt die Verantwortung und Entscheidungskompetenz in Bezug auf das Gesamtprojekt: Er hat das letzte Wort.

Der PO-Proxy: Stellvertreter, Unterstützer, Vermittler

Trotz dieser umfassenden Aufgaben und großen Verantwortung ist die Rolle der POs nicht notwendigerweise ein Vollzeit-Job. Dies führt jedoch dazu, dass er als Ansprechpartner nicht immer greifbar ist. Die zahlreichen Herausforderungen der Rolle bringen es daher mit sich, dass sie mitunter nur mit Unterstützung erfüllt werden können. Hier kommt derPO-Proxy ins Spiel:

  • Er arbeitet eng mit dem PO zusammen
  • Er dient als Ansprechpartner und Vermittler zwischen Stakeholdern, Kunden, Product Owner und Entwickler-Team
  • Sparringspartner des Product Owners

Ein eingespieltes Team

Beide Rollen bilden ein Team: Der Proxy Product Owner ist der Sparringspartner des Product Owners. Zusammen erarbeiten und klären sie die Produktvision. Diese enge Zusammenarbeit hat den Vorteil, dass der Proxy Product Owner manche Aufgaben bei Bedarf in Stellvertretung übernehmen kann und auch Entscheidungen stellvertretend treffen. Die letztliche Produktverantwortung bleibt jedoch immer beim Product Owner.

Ansprechpartner für alle Seiten

Gleichzeitig garantiert die Rolle des PO-Proxy, dass für das Entwickler-Team stets ein Ansprechpartner zur Verfügung steht. Bei Fragen oder Problemen, die dem Kunden kommuniziert werden müssen oder unmittelbaren Feedbacks bedürfen, können sie sich an den Proxy Product Owner wenden, der diese dann an den Kunden weitergibt.

Sparringspartner des Product Owners

Der Proxy Product Owner ist der Sparringspartner des Product Owners. Er erarbeitet und klärt zusammen mit dem PO die Produktvision, so dass er, wenn es die Projektsituation zulässt und das nötige Vertrauen etabliert ist, gewisse Entscheidungen auch stellvertretend treffen kann. Voraussetzung ist dafür ist, dass er die Haltung des PO genau kennt und die Vision gut verstanden hat. Dessen ungeachtet hat der PO-Proxy jedoch niemals die Produktverantwortung – diese verbleibt zwingend beim PO und damit beim Kunden. Wie auch der Product Owner muss der Proxy Product Owner Eigeninitiative, strukturiertes Vorgehen sowie Kommunikations- und Methodenkompetenz mitbringen. Er ist nah am Kunden, nah am Team, nah am Product Owner; durch seine kommunikative und unterstützende Tätigkeit stellt er sicher, dass möglichst geringe Reibungsverluste in der Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten entstehen.

Welche Vor- und Nachteile die Rolle des Proxy Product Owners mit sich bringt, erfahren Sie in Teil 2 dieses Beitrags.

Quelle Coverbild: © Jérôme Rommé | Adobe Stock

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Oliver Foitzik

Oliver Foitzik

Oliver Foitzik ist seit 2009 TCI Partner und zuständig für Business Development. Als Senior Berater liegt sein Fokus auf Fragestellungen rund um Strategie, Organisation, Prozesse und IT. Zudem ist er Experte für Kommunikation und Neue Medien.

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