Bereits im Oktober 2020 befasste sich die TCI-Online-Reihe mit dem Thema E-Learning. Damals standen vor allem die Möglichkeiten und Chancen, die sich aus der effektiven Nutzung von E-Learning ergeben, im Vordergrund. Nun, knapp ein halbes Jahr später, haben auch die letzten Nachzügler – notgedrungen aufgrund von Corona – erste Erfahrungen mit E-Learnings beziehungsweise E-Trainings gemacht. Nach den ersten Schritten stellt sich nun die Frage: Wie lassen sich bestehende E-Trainings langfristig verbessern, ausbauen und umfassend und nachhaltig in vorhandene Unternehmensstrukturen integrieren?
E-Learning: Welche Methoden eignen sich?
Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich die erst Referentin der Veranstaltung, Expertin für digitales Lernen und Lehren, Change-Management und Kommunikation Kai Karin Baum, auf die Frage „wie und mit welchen Methoden“ digitales Lernen in Unternehmen eingeführt und eingesetzt werden sollte. Sie empfiehlt, zunächst zu klären, wie Digitales Lernen im Unternehmen verstanden wird und fokussiert sich dabei einerseits auf den Lern-Outcome sowie andererseits den Lern-Transfer in die Praxis.
Bei der Konzeption einer agilen Online-Schulung müssen insbesondere zwei Faktoren berücksichtigt werden: Zum einen die Rahmenbedingungen, zum anderen die Durchführung der Schulung.
1. Welche Rahmenbedingungen gilt es bei der Konzeption einer agilen Online-Schulung in einem Unternehmen zu beachten?
Drei Faktoren sind laut Kai Baum entscheidend für die Gestaltung einer agilen Online-Schulung:
- Zielgruppe: Für wen ist die Online-Schulung gedacht? Infrage kommen z.B. Kund:innen, Mitarbeiter:innen oder Geschäftspartner:innen
- Unternehmenskultur: Welche Lernkultur herrscht in dem Unternehmen vor? Welchen Stellenwert nimmt Weiterbildung ein? Ist das Unternehmen hierarchisch oder netzwerkartig organisiert?
- Unternehmensumgebung: Wie hoch ist der Grad der Internationalisierung? Welche Kundenstruktur hat das Unternehmen?
2. Wie kann eine agile Online-Schulung in einem Unternehmen stattfinden?
Damit Online-Schulungen dauerhaft erfolgreich sein können, muss der Mensch an sich im Mittelpunkt stehen. Wichtig ist auch, die Inhalte und die Methoden auf die jeweilige Zielgruppe auszurichten. Der konzeptionelle Ansatz sollte ganzheitlich gestaltet sein, um eine umfassende, bereichsübergreifende Nutzung zu ermöglichen.
Nicht ein standarisierter Lernplan, sondern individuelle Lernpräferenzen sollten dabei im Zentrum stehen. Intuitiver Austausch zwischen den Lernenden untereinander und mit dem:der Trainer:in und der Zugang zu ständiger Lernbegleitung unterstützen das Social-Learning. Schließlich dient der Lernerfolg der Mitarbeiter:innen dem Unternehmen und sichert dessen Zukunft.

E-Learning Trends 2021
Um den Erfolg der Lernenden zu gewährleisten, darf die Konzeption von Online-Schulungen und E-Learning-Programmen nicht stehenbleiben. Es gilt zum einen, neue Technologien konsequent zu berücksichtigen und zu integrieren. Zum anderen müssen aktuelle Trendthemen wie zum Beispiel Work Place Learning und User Generated Content schnell erkannt und gezielt im Unternehmen eingesetzt werden. Diesen Trendthemen widmete sich Jan Kubasch, Experte für Veränderung, neue Lernformen und Digitalisierung.
Trend 1: Lernen im Prozess der Arbeit

Egal ob experimentelles, soziales, formelles oder informelles Lernen – am Ende sind an der Konzeptionierung und Umsetzung eines E-Learnings am Arbeitsplatz (Work Place Learning) immer drei Hauptgruppen beteiligt:
Akteure beim Work Place Learning
- Human Resources: Welche didaktischen Konzepte eignen sich? Welche Infrastruktur – Rahmenbedingungen und Tools – ist notwendig und wer stellt sie bereit?
- Führungskräfte: Sie sind die Treiber des Digitalen Lernen, indem sie Inhalte zusammen mit der HR sowie der Zielgruppe vereinbaren. Die Führungskräfte agieren als Lernbegleiter:innen.
- Mitarbeiter:innen: Sie suchen sowohl an ihrem Arbeitsplatz als auch außerhalb aktiv nach Lerninhalten und regen ihre Kolleg:innen zum kooperativen Lernen an.
Trend 2: Die Personalisierung des Lernens
Unter Personalisierung versteht man die gezielte Zuweisung von Lerninhalten, welche für die weitere individuelle Entwicklung benötigt werden, basierend auf Fähigkeiten, Interessen und Erfahrungen der Mitarbeiter:innen.
Trend 3: User Generated Content
User Generated Content befähigt die Mitarbeitenden, selbst aktiv Lerninhalte, zum Beispiel in Form von Podcasts oder Videos, zu erstellen, um so Expertenwissen langfristig zu konservieren und anderen Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen.
E-Learning: Alles eine Frage der Infrastruktur?
Wie man diese und andere Trends effizient und erfolgreich in ein bestehendes oder neu eingeführtes E-Learning integrieren kann, erklärt Martin Roth, Projektmanager und Berater für Digitalisierung sowie agile Transformation.
Da sich die Voraussetzungen und Anforderungen zwischen unterschiedlichen Unternehmen stark unterscheiden, müsse jede neu eingesetzte Technologie und Methode genauestens auf seine Passgenauigkeit im Rahmen des gesamten Weiterbildungskonzept geprüft werden, so Roth.
Dabei müsse besonders der Mehrwert, der durch die Adaption eines Trends erreicht werden kann, sowie seine Umsetzbarkeit betrachtet werden.
Wenn es darum geht, Anknüpfungspunkte bei den Unternehmen zu finden, schlägt Martin Roth vor, sich abermals auf drei Haupttreiber zu konzentrieren:
- Menschen, als Lernende, Ermöglichende und Entscheider:innen,
Drei Elemente im E-Learning: Menschen, Prozesse und Techniken. (Bild: © TCI GmbH) welche sensibilisieren, motivieren und befähigen.
- Prozesse und Rahmenbedingungen innerhalb des Unternehmens, welche Vorgaben, Abläufe und Schnittstellen beinhalten. Hierbei sind neben rechtlichen Vorgaben wie zum Beispiel Zertifikate, Normen, Unfallverhütungsvorschriften und der allseits bekannten DSGVO, auch gefühlte Vorgaben und Wahrnehmungen der Mitarbeiter:innen zu beachten, welche zusammengenommen schnell zu einem Konflikt zwischen kreativem Lernen und rechtlichen Regularien führen können.
- Technik, bestehend aus Tools und Systemen, welche das Sichern und Reproduzieren von Inhalten ermöglichen und immer in erster Linie als Mittel zum Zweck verstanden werden sollten. Besonders sollte bei der Auswahl der Technik auf die Vermeidung von Insellösungen geachtet werden, um den reibungslosen Informationsfluss bei einfacher Nutzung durch den:die User:in sicherzustellen.
Abschließend sind sich Martin Roth und Jan Kubasch einig, dass sich die zentralen Elemente der Trends im agilen Lernen auf das Ermöglichen des Lernens sowie das flexible Verfügbarmachen von Wissen zusammenfassen lassen.
Psychologische Grundlagen agilen Lernens
Den dritten und letzten Vortrag dieses spannenden Nachmittags hielt die Psychologin Jennifer Poiger über das Thema psychologische Sicherheit als Grundlage agilen Lernens.
Eine Studie zu den Teams bei Google hat gezeigt, dass, wenn ein Team Probleme in der Zusammenarbeit oder in der Performance hat, in 8 von 10 Fällen ein Mangel von Vertrauen vorliegt. Oft hängt dieser Vertrauensverlust direkt mit einem Fehlverhalten der Führungskräfte zusammen. Nicht erstaunlich, aber dennoch erschreckend ist dabei, dass jenes Fehlverhaltene dafür sorgt, dass bereits 85 Prozent aller Arbeitnehmer:innen Druck als Mittel der Führung erleben mussten.
Dass in so einer Umgebung Lernen nur sehr schlecht, beziehungsweise oftmals überhaupt nicht stattfinden kann, wird schnell ersichtlich, denn psychologische Sicherheit ist nicht nur ein Booster für das Engagement sowie für die Innovationskraft der Mitarbeiter:innen, sondern bildet auch das grundlegende Fundament, auf dem Lern- und Leistungsfähigkeit überhaupt erst wachsen können. Als Kernaspekte der psychologischen Sicherheit, die es zu stärken gilt, identifiziert Poiger
- Verantwortung der Teammitglieder
- Fehlerkultur und das Empowerment innerhalb des Teams
- emotionale Intelligenz der Führungskräfte und Mitarbeiter:innen
Daraus lassen sich für Unternehmen folgende Ziele ableiten, um eine bessere Lernumgebung zu ermöglichen:
- Akzeptanz und Toleranz gegenüber Fehlern
- Stärkung der emotionalen Intelligenz der Teammitglieder
- Förderung individueller Begabungen der Mitarbeiter:innen und Teammitglieder
- Stärkung des Verantwortungsbewusstseins der Teammitglieder.
Abschließend empfiehlt Poiger darüber hinaus, die Länge einzelner Lernsessions auf drei bis sieben Minuten zu begrenzen und verstärkt visuelle Lerninhalte einzusetzen, da unser Gehirn Visuelles 60.000-mal schneller verarbeiten kann als Text. Weiter sollten die Schulungen begleitend gestaltet werden, da andernfalls bereits nach einem Monat mehr als 80 Prozent der Lerninhalte vergessen werden worden sein.
Der Nachmittag endete mit einem Ausblick auf weitere Veranstaltungen der TCI in dem bekannten TCI-Online Format.
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