Betriebswirtschaftliche Schieflagen in Unternehmen können vielfältige Gründe haben. Die aktuelle pandemische Entwicklung mag Auslöser oder Brandbeschleuniger sein, sie legt die Situation in jedem Fall offen. Daraus ergibt sich die Erfordernis zur teilweisen oder vollumfänglichen Neuausrichtung – und das trifft Unternehmen aller Größenordnungen. Da es immer auch um personelle Veränderungen geht, sind Personalorganisationen Teil der Lösungsanstrengungen. Im Folgenden stellen wir die entscheidenden Faktoren vor, die es im Hinblick auf HR-Strategien, den Erhalt von Know-how und Geschäftsbetrieb sowie langfristige Zukunftsfähigkeit zu berücksichtigen gilt.
The Big Picture: Funktionen und blinde Flecken der Personalabteilungen
Klassische Funktionen, die Personalabteilungen bedienen, sind
- die Abrechnung der Bruttoeinkommen für die Belegschaft, und
- die Rekrutierung von neuen Arbeitskräften.
Beides sind wichtige Aufgaben, die jedoch für eine strategische Unterstützung einer kaufmännischen Leitung zur Vermeidung einer Insolvenz nur bedingt nützlich sind. Mit wachsender Größe finden sich in Human Resources Departments – neben einer Reihe anderer Inhalte – Spezialist*innen für Trennungsmanagement und Personalentwicklung. Diese verfügen über das Wissen zu den erforderlichen Methoden, um ihre Geschäftsführung in der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen umfassend zu unterstützen.
Doch während der Zusammenhang von Insolvenzvermeidung und Trennungsmanagement offenkundig ist, kommt selbst Personalexpert*innen nicht sofort der Begriff Personalentwicklung in den Sinn. Mit einem strategischen Überbau, der auf die Geschäftsziele ausgerichtet ist, fällt dies leichter.
5 Krisenstufen und ihre Wechselwirkungen
Im fünften TCI-Online-Event, das im Dezember 2020 stattfand, lag ein essenzieller Fokus auf der Frage, welche verschiedenen Krisenstufen in einem Unternehmen durchlaufen werden, die ohne Einleitung von Korrekturmaßnahmen bis in die Insolvenz führen können. Während die erste Stufe – die „Stakeholder-Krise“ – die unzureichende Ausrichtung auf die erforderliche betriebliche Zukunft erst langsam erkennbar werden lässt, zeigt die fünfte Stufe – die „Liquiditätskrise“ – dramatisch die drohende Zahlungsunfähigkeit auf. Die dazwischen liegenden Stufen bringen die sich stetig verschärfende Situation zum Ausdruck.
Für jeden Abschnitt dieser aufgezeigten Bedrohungsszenarien gibt es Maßnahmen und Werkzeuge der Personalorganisation, um die Veränderungsleistung durch die Führungskräfte nachhaltig und wirkungsvoll zu unterstützen und zu begleiten. Jedoch gibt es längst nicht in jedem Unternehmen Personalorganisationen, schon gar nicht mit einem Leistungsangebot, das alle möglichen Facetten abdeckt. Daher gehört es zur Arbeit von kaufmännischen Leitungen, diese Lösungsansätze zu integrieren.
Es müsste dabei klar sein, dass jede Maßnahme einer Human-Resources-Strategie auch Nebenwirkungen mit sich bringt. Die Wechselwirkung von Ursache und Wirkung ist im Bewusstsein möglicher, noch kommender oder bereits bestehender Gegebenheiten unbedingt zu kalkulieren.
Beispiel Kurzarbeit: Jede HR-Strategie benötigt Weitblick
Die Kurzarbeit ist beispielsweise ein sehr gutes Werkzeug, um dem Unternehmen Personalkapazität und Know-how zu erhalten. Eine organisatorisch unscharfe Beantragung zieht dabei allerdings eine Reihe von Nebeneffekten nach sich, die dann ausgerechnet das verstärken können, was eigentlich verhindert werden sollte. So müssen unbedingt Lieferungen und Leistungen des Unternehmens aufrechterhalten werden, was sogar trotz angesetzter Kurzarbeit Mehrarbeit erfordern kann. Wer diese Wechselwirkungen nicht im Auge hat und für die Beantragung von Kurzarbeit nicht berücksichtigt, muss sich aufgrund der gesetzlichen Gegebenheiten möglicherweise für Kurzarbeit oder Mehrarbeit entscheiden – obwohl beides möglich wäre.
Mit jeder Krisenstufe verändern sich diese Wirkungszusammenhänge. Kaufmännische Leitungen und Personalorganisationen sind gut beraten, wenn sie für ihre strategische Ausrichtung nicht nur den jeweiligen Krisenmodus ins Kalkül ziehen, sondern stets den Blick auf die gewünschte Situation nach der Bewältigung der anstehenden Probleme zu richten.
Erhaltung von Wissen und Erfahrung
Wer sich mit den Wechselwirkungen von Entscheidungen im Restrukturierungsumfeld umfassend auseinandersetzt, stellt schnell fest, dass üblicherweise die Freistellung von Personal in den Vordergrund gerückt wird. Dabei sollte das Hauptaugenmerk darauf liegen, mit der Bewältigung der betriebswirtschaftlichen Herausforderungen wieder zügig in einen regulären Geschäftsbetrieb zurückzukehren.
Essenzielle Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs – auch nach der Krise
In jedem Unternehmen gibt es Schlüsselfunktionen, die immer intakt sein müssen. Diese sind von einer oder mehreren Personen besetzt, die in der Lage sind, dies auch sicherzustellen. Es geht nicht nur um einzelne, herausragende Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, sondern auch um komplette Funktionsteams, die für einen erfolgreichen Betrieb unerlässlich sind. Der Verlust des einzigen technischen Experten, etwa in einer High-Tech-Entwicklung, kann ebenso existenzgefährdend sein wie der Totalausfall einer speziellen logistischen Arbeitsgruppe.
Bevor für ein Unternehmen ein Modell zum Personalabbau erarbeitet wird, muss daher klar werden,
- in welchen Bereichen
- welche Personen
- welches Know-how, und
- welche definierten Kompetenzen
für die Zeit nach der Krisenbewältigung unbedingt zur Verfügung stehen müssen.
Es geht damit ebenso um den Verbleib von bestimmten Menschen im Unternehmen wie um die Konservierung von Wissen und Know-how, das weiterhin für den Betrieb zur Verfügung steht, obwohl der Wissensträger das Unternehmen verlassen hat.
Die dafür erforderlichen Methoden und Abläufe sind ein Zusammenspiel von
- Personalentwicklung,
- Compensation & Benefits, sowie
- interner Kommunikation.
Hilfreich ist dabei das Wissen um den Aufbau von Prozessmodellierung und der zugehörigen Dokumentationen.
Workload und Ausblick für die Angehörigen des Unternehmens
Es ist daher sicherzustellen, dass wichtige Funktionsträger*innen vor Beginn der Restrukturierung sicher sein können, dass die Geschäftsführung und ihre Führungskraft weiterhin an ihnen festhalten will, auch weil es für das Unternehmen eine gute Zukunft gibt.
Selbstverständlich berührt die Neuordnung des Betriebs auch die Verteilung der Arbeitsinhalte innerhalb der Belegschaft. Gerade deshalb leisten diagnostische Ansätze, wie sie aus der Personalentwicklung bekannt sind, wertvolle Hilfestellungen. So kann gewährleistet werden, dass diese Umschichtung von Arbeiten von den aufnehmenden Personen bewältigt werden können.
Die Facette der Vergütungskomponenten rundet den Erhalt von Personen für das Unternehmen ab. Denn es besteht durchaus die Gefahr, dass es für wertvolle Belegschaftsmitglieder lukrativer ist, das Unternehmen zu verlassen, als weiterhin dafür tätig zu sein.
Der lange Weg zur Trennung
Das Trennungsmanagement ist die Disziplin der Personalorganisation, die aus dem Schatten tritt, wenn es um die Auflösung von Beschäftigungsverhältnissen geht. Mit steigender Zahl an wegfallenden Arbeitsplätzen wachsen auch die Anforderungen, um die Umsetzung sozialverträglich zu gestalten und das Renommee der Firma möglichst wenig zu beschädigen.
Auch dafür existieren zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten – ebenfalls passend zu den bereits erwähnten Krisenstufen. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen dabei die zwar schnelle, aber schonende Trennung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der ebenso notwendige Effekt auf die meist dringend benötigte Liquidität.
Hier bieten sich schon für kleine Unternehmen Outplacement-Lösungen ebenso an wie Transfergesellschaften. Jedoch ist ein um- und weitsichtiges Herangehen an diese Lösungsansätze unbedingt erforderlich, insbesondere im Hinblick auf
- die rechtlichen Anforderungen,
- die gesellschaftlichen Erwartungen und
- die Konzeption der Inhalte – immer passend zu den Zielen und mit Rücksicht auf die möglichen Nebenwirkungen.
In diesen Fällen wird sowohl der konstruktive und erfolgreiche Neustart der betroffenen Personen in anderen Unternehmen aufgegriffen wie auch der berechenbare Einfluss der Restrukturierung auf die flüssigen Mittel und damit den nachhaltigen Bestand des Betriebs.
Fazit: Restrukturierung des Personals richtig angehen
Die Anforderungen von kleinen und großen Unternehmen an Personalorganisationen sind äußerst vielfältig und breitbandig. Beim Aufgreifen der Vorgaben der Geschäftsführung ist unbedingt darauf zu achten, dass – bezüglich unerwünschter Wechselwirkungen aus der Umsetzung der Maßnahmen – diesen proaktiv begegnet wird.
Besonders in der Bewältigung von Krisensituationen in Unternehmen können Personalorganisationen eine breite Palette von Unterstützungsleistungen für Führungskräfte und für die Belegschaft bieten. Auf diese Herausforderungen gehen wir bei unserem sechsten TCI-Online-Event ein. Am 09. Februar 2021 ab 14 Uhr knüpfen wir an unsere vorherigen Veranstaltungen an und fassen auch die vorgestellten Methoden zur Vermeidung von Unternehmensinsolvenzen zusammen. Im Fokus stehen jedoch die Maßnahmen durch die Personalorganisation in den einzelnen Krisenstufen. Alle weiteren Informationen zu Inhalten, Ablauf und Anmeldung finden Sie auf dieser Seite:
Nutzen Sie dieses Wissen, um in Ihrem Unternehmen und für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtige Grundlagen zu schaffen, um Krisensituationen zu meistern. Restrukturierung und zukunftsfähiges Personalmanagement gelingen nur mit der richtigen HR-Strategie – erfahren Sie im Webinar, was es zu beachten gilt.
Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung!
(Coverbild: © Sikov | Adobe Stock)